Pendergast 05 - Burn Case - Geruch des Teufels
sah auf die Uhr. »Wie lange werden Sie hier noch brauchen?«
»Ich denke, in fünf Minuten werden wir fertig sein. Haben Sie noch irgendwelche interessanten Informationen für uns?«
»Die ältere Dame, der das Apartment unter Cutforth gehört, konnte Angaben über den zeitlichen Ablauf der Ereignisse machen. Der Mord wurde offenbar kurz nach elf Uhr nachts begangen. Sie will gehört haben, dass das Opfer sich auf dem Boden wälzte und schrie. Sie hat angenommen, dass eine Party im Gang war.« Ein müdes Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Schließlich ließ der Lärm nach. Und zwanzig nach elf tropfte dann eine Flüssigkeit durch die Decke: geschmolzenes Fettgewebe des Opfers. Etwa zur selben Zeit wurden der Feueralarm und die Sprinkleranlage ausgelöst. Jemand vom Sicherheitsdienst ist nach oben geeilt, aber die Tür war verschlossen. Aus dem Apartment drang ein übler Geruch. Um elf Uhr neunundzwanzig hat er die Tür mit dem Generalschlüssel geöffnet und den Toten in dem uns bekannten Zustand vorgefunden. Als wir fünfzehn Minuten danach eintrafen, betrug die Temperatur in dem Apartment annähernd vierzig Grad.«
D’Agosta wechselte einen Blick mit Pendergast. »Wissen Sie etwas über die anderen Nachbarn?«
»Der Eigentümer über Cutforth hat nichts gehört, bis der Feueralarm ausgelöst wurde, beschwerte sich aber über schrecklichen Gestank. Es gibt nur zwei Apartments auf dieser Etage. Das andere wurde verkauft, steht aber noch leer. Der neue Besitzer ist Engländer, ein gewisser Mr Aspern.«
Sie zog einen Block aus ihrer Brusttasche und schrieb etwas auf. Dann reichte sie den Zettel Pendergast. »Ich habe Ihnen die Namen aufgeschrieben. Aspern hält sich zurzeit in England auf. Mr Roland Beard ist vom Apartment oben drüber und Letitia Dallbridge von dem darunter. Wollen Sie einen von ihnen jetzt gleich sprechen?«
»Nicht nötig«, sagte Pendergast und deutete auf das Brandmal an der Wand. »Ich nehme an, dass Sie es bereits gesehen haben. Ist Ihnen dazu etwas eingefallen?«
Laura Hayward kräuselte amüsiert die Lippen. »Waren Sie es nicht, Mr Pendergast, der mich davor gewarnt hat, allzu früh Hypothesen aufzustellen?«
Pendergast schmunzelte. »Sie sind eine gelehrige Schülerin.«
»Ich hatte einen meisterlichen Lehrer«, sagte Captain Hayward und schaute dabei D’Agosta an. Nach ein paar Sekunden fügte sie hinzu: »Ich lasse Sie jetzt allein, Gentlemen, wir sehen uns morgen früh.«
Als sie gegangen war, drehte Pendergast sich zu D’Agosta um.
»Unsere kleine Laura Hayward ist anscheinend erwachsen geworden, finden Sie nicht auch?«
D’Agosta blieb nichts übrig als zu nicken.
22
Bryce Harriman stand an der Ecke Fifth Avenue – 67th Street und starrte auf eines dieser weiß verklinkerten Hochhäuser, die die Upper East Side verschandelten. Der Tag hatte grau begonnen und war immer noch genauso grau. Der Chefredakteur hatte ihn zusammengestaucht, weil er noch immer keinen Blick auf die Eilmeldung geworfen hatte, die seit heute Morgen um drei in seinem Fach lag. Der Mann war ein Workaholic und hatte keinen blassen Schimmer, wie viel Mühe es Harriman gekostet hatte, nach einer langen durchzechten Nacht den Weg zur U-Bahn zu finden! Na gut, jetzt war er da und bereit zur Arbeit. Mehr als ein paar Neugierige aus der Nachbarschaft konnte er dort bestimmt nicht aushorchen. Aber mit dieser Annahme lag er, wie sich schnell herausstellte, völlig schief.
Nachdem der Mord eine der Topmeldungen des Frühstücksfernsehens gewesen war, hatten sich vor dem Tatort die Gaffer aus allen Ecken und Enden der Stadt versammelt. Und zu Harrimans allergrößtem Erstaunen harrten sie mittags um zwei immer noch aus. Etwa hundert Leute belagerten das Gebäude: Gammler, Halbstarke und sogar ein paar Hare-Krichna-Jünger – eine Spezies, von der er geglaubt hatte, sie sei in New York seit Jahren ausgestorben. Dazu kamen etliche ausgeflippte Sonderlinge: Satanisten in mittelalterlich anmutenden Gewändern, die eifrig Pentagramme auf den Bürgersteig malten, während einige Nonnen etwas abseits ihren Rosenkranz beteten und ein Grüppchen Jugendlicher mit Kerzen in der Hand Wache hielt und zur Begleitung einer Gitarre fromme Liedchen trällerte. Harriman kam sich vor wie in einem Fellini-Film.
Augenblicklich erwachte sein Jagdfieber. Es reizte ihn, noch einmal einen ähnlichen Knüller zu landen wie letzte Woche bei dem Fall Grove, zumal das Gemetzel diesmal dem Hörensagen nach viel schlimmer sein
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