Pendergast 07 - Maniac - Fluch der Vergangenheit
Sache beigelegt haben.«
Nora musterte Wicherly eingehender und verspürte einen Stich der Beunruhigung. Plötzlich fiel ihr auf, wie müde, wie geschafft er wirkte. Sein Gesicht war weiß wie die Wand, graue Tränensäcke hatten sich unter seinen blauen Augen gebildet, und seine Haare waren feucht und zerzaust. Am überraschendsten von allem war, dass sein Anzug und die Krawatte, sonst stets tadellos, heute unordentlich, ja zerknittert aussahen. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn.
»Geht es Ihnen gut?«
»Ganz
prima!
« Doch während er das sagte, verzerrte ein groteskes Zucken eine Hälfte seines Gesichts.
»Adrian, ich glaube wirklich, Sie brauchen eine Pause. Sie haben zu schwer gearbeitet.« Nora ließ ihre Stimme ruhig und gelassen klingen. Sobald Wicherly gegangen war, würde sie Menzies anrufen und vorschlagen, dass er ihn für heute nach Hause schickte. Sie konnten auf Wicherlys Sachverstand nicht verzichten, und wenn er sich auch verabscheuungswürdig benommen hatte, er hatte sich als unschätzbar erwiesen; sie konnten es sich einfach nicht leisten, dass er kurz vor der Eröffnung zusammenbrach.
Wieder zuckte es in seinem Gesicht – eine furchtbare Muskelkontraktion, durch die seine ebenmäßigen Züge kurz zu einer Grimasse mutierten –, bevor es ganz plötzlich wieder normal wirkte. »Warum haben Sie mich das gefragt, Nora? Sehe ich aus, als gehe es mir nicht gut?«
Seine Stimme war lauter geworden. Nora fiel auf, dass er die Stuhllehnen so fest packte, dass sich seine Fingernägel in den Stoff gruben.
Sie erhob sich von ihrem Stuhl. »Wissen Sie, Sie haben so viel gearbeitet, und ich glaube wirklich, dass Sie sich einen freien Tag verdient haben.« Sie nahm sich vor, nicht einmal Men zies zu fragen. Sie war die Kuratorin der Ausstellung, und sie würde Wicherly nach Hause schicken. Wicherly befand sich einfach nicht in der gesundheitlichen Verfassung, die Plazierung von Exponaten im Wert von Millionen Dollar zu überwachen.
Wieder ein grässliches Zucken. »Sie haben meine Frage noch immer nicht beantwortet.«
»Sie sind erschöpft, mehr nicht. Ich gebe Ihnen einen Tag frei. Das ist nicht verhandelbar, Adrian. Ich möchte, dass Sie nach Hause gehen und sich etwas ausruhen.«
»Nicht verhandelbar? Und seit wann sind Sie hier der Boss?«
»Seit dem Tag Ihrer Ankunft. Also bitte, gehen Sie nach Hause, sonst bin ich gezwungen, die Security zu rufen.«
»Die Sicherheitsleute? Die sind doch ein schlechter Witz!«
»Bitte verlassen Sie mein Büro.« Nora griff zum Telefon.
Aber plötzlich erhob sich Wicherly – er streckte den Arm aus, wischte das Telefon vom Schreibtisch, zertrat den Hörer, riss die Telefonschnur aus der Buchse und warf sie beiseite.
Nora erstarrte. Irgendetwas Furchtbares geschah mit Wicherly, etwas, das ihre Erfahrung komplett überstieg.
»Schauen Sie, Adrian«, sagte sie gefasst. »Gehen wir das alles doch ganz ruhig an.« Sie stand auf und schob sich am Schreibtisch entlang.
»Du verdammte
Nutte«,
sagte er in leisem, bedrohlichem Ton. Nora sah, dass seine Finger zuckten und sich mit jeder Zuckung ein wenig mehr verkrampften, bis sie eine Krallenfaust bildeten. Man konnte die Aura der Gewalt, die sich um ihn aufbaute, förmlich riechen. Sie trat hinter dem Schreibtisch hervor, nicht schnell, aber ruhig und entschlossen.
»Ich gehe jetzt«, sagte sie, so fest sie konnte. Gleichzeitig wappnete sie sich innerlich für einen Kampf. Wenn er über sie herfiel, würde sie direkt auf seine Augen losgehen.
»Den Teufel wirst du tun.« Wicherly versperrte ihr den Weg, während er gleichzeitig hinter sich griff und die Tür verriegelte.
»Kommen Sie mir nicht näher!«
Er blieb, wo er war, seine Augen waren blutunterlaufen, die Pupillen sahen aus wie kleine schwarze Gewehrkugeln. Nora kämpfte gegen ihre aufsteigende Panik an. Was würde funktionieren? Ruhige Überredung oder fester Befehl? Sie konnte seinen Schweiß riechen, fast so stark wie Urin. Sein Gesicht hatte sich nach einer Reihe krampfhafter Zuckungen erneut verzogen, die rechte Faust ballte und streckte sich im Takt. Wicherly sah aus, als wäre er von dämonischen Mächten besessen.
»Adrian, es ist alles in Ordnung«, sagte sie und brachte einen beruhigenden Klang in ihre zitternde Stimme. »Sie brauchen Hilfe. Lassen Sie mich einen Arzt rufen.«
Weiteres Zucken, seine Halsmuskeln zeichneten sich deutlich ab.
»Ich glaube, Sie könnten eine Art Anfall haben«, sagte sie.
»Verstehen Sie, Adrian? Sie
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