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Pendergast 07 - Maniac - Fluch der Vergangenheit

Pendergast 07 - Maniac - Fluch der Vergangenheit

Titel: Pendergast 07 - Maniac - Fluch der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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einen Silberlöffel mit dem Familienwappen der Pendergasts auf dem Griff, der an der einen Ecke ein wenig geschmolzen war. Er wiegte ihn in der Hand, wie man vielleicht das eigene Neugeborene hält. Sorgfältig, geradezu liebevoll plazierte Diogenes den Löffel auf dem Trinkglas und legte einen Zuckerwürfel in die Vertiefung. Dann goss er das gekühlte Mineralwasser auf den Zuckerwürfel, Tropfen für Tropfen. Wie bei einem kleinenSpringbrunnen strömte das Zuckerwasser über den Rand des Löffels und tropfte in den Likör darunter, der zunächst einen milchig grünen, dann einen schillernden jadegrünen Ton annahm – was Diogenes gesehen hätte, wenn er nicht farbenblind gewesen wäre.
    Das alles wurde ohne die geringste Spur von Eile getan.
    Diogenes legte den Löffel sorgsam beiseite und hob das Glas an die Lippen, genoss den leicht bitteren Geschmack des Getränks. Er schraubte den Verschluss auf den Flakon und steckte ihn in die Tasche zurück. Es war der einzige moderne Absinth, der den gleichen hohen Anteil der Essenzen von Wermut enthielt wie die alten Brände aus dem 19. Jahrhundert. Als solcher verdiente er es, auf die traditionelle Weise getrunken zu werden.
    Er nahm noch einen Schluck und lehnte sich behaglich auf seinem Sitz zurück. Was hatte Oscar Wilde noch gleich über das Trinken von Absinth gesagt? »Das erste Stadium ist wie normales Trinken, im zweiten fängt man an, ungeheuerliche, grausame Dinge zu sehen, aber wenn man es schafft, nicht aufzugeben, kommt man in das dritte Stadium, in dem man Dinge sieht, die man sehen möchte, wundervolle, sonderbare Dinge.«
    Seltsam nur, dass Diogenes, egal, wie viel er trank, offenbar nie über das zweite Stadium hinauskam – was ihn aber auch nicht sonderlich beunruhigte.
    Aus einem kleinen Lautsprecher hoch oben in der Wand kam eine Durchsage:
    Meine Damen und Herren, hier spricht der Zugführer. Willkommen
an Bord des
Lake Champlain,
mit Halt in Yonkers,
Cold Spring, Poughkeepsie, Albany, Saratoga Springs, Plattsburg,
St.-Lambert und Montreal. Dies ist der letzte Aufruf.
Wir bitten deshalb alle Besucher, den Zug zu …
    Diogenes hörte zu und lächelte matt. Der
Lake Champlain
war einer von zwei Luxuszügen, die Amtrak noch betrieb. Indem er zwei angrenzende Erster-Klasse-Abteile gebucht und die Trennwand zwischen ihnen hatte aufschließen lassen, hatte er sich eine passabel behagliche Suite gesichert. Es war eine kriminelle Schande, die Art und Weise, wie die Politiker es zu gelassen hatten, dass das amerikanische Passagierzugsystem, einst von aller Welt bewundert, dahinsiechte, der Zahlungsunfähigkeit und dem Verfall anheimgegeben. Aber auch dies war nur eine vorübergehende Unannehmlichkeit: Bald wäre er wieder zurück in Europa, wo man wusste, wie man in Würde und Komfort reiste.
    Vor dem Fenster schwabbelte eine korpulente Frau vorbei, ein Gepäckträger, beladen mit Koffern, trottete hinter ihr her. Diogenes hielt sein Glas hoch und rührte die perlgraue Flüssigkeit sachte um. Der Zug würde in wenigen Sekunden abfahren. Und nun erlaubte er sich – vorsichtig, wie jemand, der sich einem gefährlichen Tier näherte – einen kurzen Augenblick des Nachdenkens.
    Es war fast zu furchtbar, um es auszuhalten. Fünfzehn Jahre der Planung, der sorgfältigen Verkleidung, der kunstvollen Intrige, der einfallsreichen Erfindung: alles umsonst. Der Gedanke an all die Arbeit und die Zeit, die er in Menzies allein gesteckt hatte – sich seine Biographie ausdenken, sein Handwerk erlernen, eine Anstellung finden, Jahr um Jahr arbeiten, langweilige Besprechungen besuchen und sich das idiotische Gemurmel verknöcherter alter Kuratoren anhören –, all das hatte ihn schier in den Wahnsinn getrieben. Und dann war da noch die letzte Extravaganz, mit all ihrem verworrenen und furchterregenden Glanz: die peniblen medizinischen Forschungen hinsichtlich der Frage, wie man es bewerkstelligen konnte, aus ganz normalen Menschen mörderische Soziopathen zu machen, und das einzig und allein mit Hilfe vonKlang und Licht; die Entfernung der hemmenden zerebralen Bahn mittels Laserlicht, so dass der Kortex entorhinalis und der Mandelkern verletzt wurden und sich die Enthemmung der rudimentären Funktion vollzog. Und danach die mühselige Installierung der eigenen, ganz speziellen Sound-and-Light-Show, die er in der Multimedia-Präsentation versteckt hatte, an der sich alle anderen derart abgerackert hatten; und der Testlauf mit dem Techniker und diesem Blödmann Wicherly

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