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Pendergast 07 - Maniac - Fluch der Vergangenheit

Pendergast 07 - Maniac - Fluch der Vergangenheit

Titel: Pendergast 07 - Maniac - Fluch der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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mir und meinem Bruder.«
    Im sanften Schein des erlöschenden Feuers sahen die seltsamen Augen von Diogenes Pendergast verletzlich, fast ver loren aus. Als er ihren Blick erwiderte, leuchteten sie ein wenig auf.
    »Ach, Constance, das alles muss sich unglaublich merkwürdig für Sie anhören. Doch wenn ich Sie so ansehe, dann möchte ich alles in meiner Macht Stehende tun, um Ihnen diese Bürde des Schmerzes und der Angst abzunehmen und sie selbst zu tragen. Und wissen Sie, warum? Weil ich mich selbst sehe, wenn ich Sie anschaue.«
    Constance antwortete nicht. Sie saß nur reglos da.
    »Ich sehe einen Menschen, der dazugehören möchte, der einfach er selbst sein will, und doch dazu verdammt ist, immer allein zu bleiben. Ich sehe eine Frau, die das Leben tiefer, intensiver empfindet, als sie es – sogar sich selbst – eingestehen will …«
    Bei diesen Worten fing Constance an zu zittern.
    »Ich spüre sowohl Schmerz als auch Zorn in Ihnen. Schmerz, weil Sie im Stich gelassen wurden – nicht einmal, sondern viele Male. Und Zorn über die blinde Willkür der Götter. Warum ich? Warum schon wieder? Denn es stimmt: Sie wurden schon wieder im Stich gelassen. Vielleicht nicht ganz auf die Weise, wie Sie es erwartet hatten. Auch in dieser Hinsicht sind wir gleich. Ich wurde allein gelassen, als meine Eltern einem primitiven Mob zum Opfer fielen und den Tod in den Flammen fanden. Ich bin dem Feuer entkommen, sie nicht. Ich hatte immer das Gefühl, dass es besser gewesen wäre, wenn ich an ihrer Stelle gestorben wäre. Dass ich schuld an ihrem Tod war. Sie haben das gleiche Gefühl in Bezug auf Ihre Schwester Mary – dass Sie an ihrer Stelle hätten sterben sollen. Später wurde ich vonmeinem Bruder im Stich gelassen. Ah! Ich sehe die Ungläubigkeit in Ihrem Gesicht. Aber auch hier gilt wieder, dass Sie kaum etwas über meinen Bruder wissen. Ich bitte Sie um nicht mehr, als mir unvoreingenommen zuzuhören.«
    Er erhob sich. Constance sog scharf die Luft ein und erhob sich ebenfalls halb aus ihrem Sessel.
    »Nein«, sagte Diogenes, und Constance hielt abermals inne. Seine Stimme klang jetzt nur noch unendlich müde. »Sie dürfen nicht weglaufen. Ich will mich jetzt von Ihnen verabschieden. Wir werden bald wieder miteinander reden, und dann erzähle ich Ihnen mehr über die Kindheit, die mir verwehrt wurde. Über den älteren Bruder, der die Liebe, die ich ihm entgegenbrachte, mit Füßen trat und mit Hass und Verachtung erwiderte. Der Vergnügen daran fand, alles zu zerstören, was ich erschaffen hatte – meine kindlichen Tagebücher mit selbstgedichteten Versen, meine Übersetzungen von Vergil und Tacitus. Der mein Lieblingstier auf eine Weise gequält und getötet hat, an die ich selbst heute kaum zu denken wage. Der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, jeden mit Lügen und Unterstellungen gegen mich aufzuhetzen und mich als seinen bösen Zwillingsbruder darzustellen. Und als es ihm trotzdem nicht gelang, meinen Geist zu brechen, hat er am Ende etwas so Entsetzliches … so
Entsetzliches
…« Doch bei diesen Worten drohte seine Stimme zu versagen. »Schauen Sie sich mein blindes Auge an, Constance. Das war das
Geringste,
was er getan hat …«
    In dem einsetzenden Schweigen war nur das schwere Atmen von Diogenes zu hören, der mühsam um Beherrschung rang, wobei der Blick seines milchigen Augens nicht direkt auf Constance gerichtet, aber auch nicht ganz von ihr abgewandt war.
    Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Ich gehe jetzt. Aber Sie werden feststellen, dass ich Ihnen etwas dagelassen habe.
    Ein Zeichen unserer Seelenverwandtschaft, eine Anerkennung des Schmerzes, der uns verbindet. Ich hoffe, Sie werden dieses Geschenk so auffassen, wie es gemeint ist.«
    »Ich will nichts von Ihnen«, sagte Constance, doch Hass und Überzeugung in ihrer Stimme waren der Verwirrung gewichen.
    Er sah sie noch einmal lange an. Dann drehte er sich langsam, ganz langsam um und ging auf die Tür der Bibliothek zu. »Auf Wiedersehen, Constance«, sagte er über die Schulter. »Geben Sie auf sich acht. Ich finde allein hinaus.«
     
    Constance blieb wie gelähmt sitzen, während sie den leiser werdenden Schritten nachlauschte. Erst als es wieder ganz still geworden war, erhob sie sich aus ihrem Sessel.
    Im selben Augenblick bewegte sich etwas in der Tasche ihrer Krinoline.
    Sie schrak zusammen. Die Bewegung wiederholte sich. Und dann erschien am Rand der Tasche ein winziges rosa Näschen mit zitternden Schnurrbarthaaren,

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