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Pendergast 07 - Maniac - Fluch der Vergangenheit

Pendergast 07 - Maniac - Fluch der Vergangenheit

Titel: Pendergast 07 - Maniac - Fluch der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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melodischen Punk, einen Glam, dann durch einen langen pseudoelektronischen Riff; danach ein schneller Eurostomp mit einem überraschenden Ende, gefolgt von einem Hip-Hop Twist-Stick und einem Tom-Club. Ein Augenblick der Stille … dann setzte ein langsamer Chicago Blues ein und entwickelte sich zu unzähligen weiteren bekannten und unbekannten Taktfolgen,die sich in einem nicht abreißenden Klangband umeinander und ineinander flochten.
    Der als A bekannte Häftling war allerdings kein Rhythmusfan. Er war ein Mann mit vielen Talenten – aber Trommeln gehörte nicht dazu.
    Dennoch lauschte er.
    Schließlich, eine halbe Stunde bevor das Licht ausging, bewegte sich A auf seiner Pritsche. Er drehte sich zum Bettgestell, schlug einmal sacht mit dem linken Zeigefinger darauf, dann noch einmal. Dann klopfte er einen einfachen Viervierteltakt. Nach einigen Minuten probierte er den Takt auf der Matratze aus, dann an der Wand und auf dem Waschbecken – als wollte er deren Timbre, Klang und Tonumfang ausprobieren –, bevor er wieder zum Bettgestell zurückkehrte. Während er mit dem linken Zeigefinger weiterhin einen Viervierteltakt klopfte, stimmte er mit dem rechten Zeigefinger einen anderen Rhythmus an. Während er diese einfache rhythmische Begleitung trommelte, lauschte er aufmerksam der virtuosen Klangflut aus der Nachbarzelle.
    Pünktlich um zehn ging das Licht aus; die Zelle versank im Dunkeln. Eine Stunde verstrich, dann eine weitere. Das Getrommel des Häftlings änderte sich auf subtile Weise. Behutsam ließ er sich vom Trommler führen. Mal griff er eine ungewöhnliche Synkope auf, dann wieder übernahm er einen Dreier- anstelle eines Zweiertakts und fügte diese Variation seinem einfachen Repertoire hinzu. Immer enger verknüpfte er das eigene Trommeln mit dem Klanggewebe von nebenan, nahm Anregungen von seinem Zellennachbarn auf, folgte dessen Tempo oder verlangsamte es, je nach Vorgabe des Trommlers.
    Es war Mitternacht, aber der Trommler in Zelle 45 machte weiter – ebenso wie der Häftling namens A. A stellte fest, dass das Trommeln – das er immer als krude, ja primitive Tätigkeitbetrachtet hatte – eine erstaunlich angenehme Wirkung auf den Geist ausübte. Es öffnete eine Tür, die aus der engen, hässlichen Wirklichkeit seiner Zelle hinaus in einen weiten, abstrakten Raum mathematischer Präzision und Komplexität führte. Er trommelte weiter, folgte immer noch der Führung des Häftlings in 45 und steigerte fortlaufend die Komplexität seiner eigenen Rhythmusfolgen.
    Die Nacht verstrich. Die wenigen anderen Häftlinge, die in Einzelhaft saßen – es waren nicht viele, und ihre Zellen befanden sich alle am anderen Ende des Gangs – schliefen längst. Doch die Insassen von 44 und 45 trommelten noch immer gemeinsam weiter. Und während der Häftling namens A diese seltsame neue Welt äußerer und innerer Rhythmen immer weiter erforschte, fing er allmählich an, den Mann in der angrenzenden Zelle und sein psychisches Leiden besser zu verstehen – was seine Absicht gewesen war. Was er über den Mann erfuhr, war nichts, das man in Worte fassen konnte; es war für Sprache nicht zugänglich, ebenso wenig wie für psychologische Theorien, psychotherapeutische oder auch medikamentöse Behandlungen.
    Durch die gewissenhafte Nachahmung der vielschichtigen Trommelklänge gelang es dem Häftling in 44 jedoch ganz allmählich, eine Verbindung zu dem Trommler herzustellen und in dessen Welt vorzustoßen. Allmählich verstand er den Trommler, auf einer elementaren, neurologischen Ebene – was ihn motivierte, warum er handelte, wie er handelte.
    Langsam, behutsam tastete A sich weiter vor, unternahm einen ersten Versuch, den Rhythmus auf bestimmten experimentellen Wegen zu verändern, um auszuprobieren, ob er die Führung übernehmen und den Trommler dazu bringen konnte, ihm einige Takte lang zu folgen. Als das Experiment glückte, veränderte er kaum merklich das Tempo, variierte er den Rhythmus. Dabei achtete er sorgfältig darauf, keine abruptenWechsel zu vollziehen: jeder neue Takt, jeder veränderte Rhythmus war ein genau berechneter, präzise gesteuerter Schritt auf dem Weg zum angestrebten Ziel.
    Im Verlauf einer weiteren Stunde vollzog sich ein Wandel in der Dynamik zwischen den beiden Gefangenen. Ohne es zu merken, war der Trommler nicht mehr derjenige, der führte, sondern derjenige, der folgte.
    Der Häftling A veränderte weiterhin sein Trommeln, verlangsamte und beschleunigte es um winzigste

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