Pendergast 08 - Darkness - Wettlauf mit der Zeit
Mr Johnson. Ihr Arbeitgeber wird noch eine Weile dinieren. Ich bin fast fertig.«
Pendergast kniete nieder und wandte sich dem Bild von Jawlensky zu. Mittels der Pinzette hob er einige Fäden Leinwand von der Rückseite, dort, wo die Leinwand an den Rahmen genagelt war. Sodann schabte er mit der Pinzette und dem Skalpell ein kleines Stück gelber Farbe vom äußersten Rand und ließ es ins Teströhrchen fallen. Schließlich nahm er die gleiche Prozedur am Pechstein und den anderen Bildern vor.
Er sah auf die Uhr. Viertel vor neun.
Er stellte die Verpackung wieder her, um den Einschnitt zu verbergen, schraubte die Seitenwand der Kiste wieder zu, stand auf und lächelte. »Mr Johnson, entschuldigen Sie, dass ich Ihre Abendunterhaltung so jäh unterbrochen habe.«
»Tja, na ja, aber Sie haben mir noch immer nicht verraten, wer Sie sind oder was Sie machen.«
»Das werde ich auch nicht tun.«
Nachdem sie ins Wohnzimmer gegangen waren, drehte sich Pendergast zu seinem Gastgeber um. »Wir haben gerade noch ein wenig Zeit für ein zweites Glas.« Er schenkte ihre Gläser voll. Johnson leerte seines in einem Zug und stellte es ab. Pendergast trank langsamer, dann zog er einen weiteren kleinen Packen Geldscheine aus der Tasche. »Wie versprochen.«
Johnson nahm die Scheine schweigend entgegen.
»Sie haben sich wacker geschlagen.« Pendergast lächelte, verneigte sich knapp und ging.
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23
Als Constance in die Suite zurückkam, fand sie Pendergast über einen Chemiekasten gebeugt vor. Sie sah zu, wie er einen Baumwolltupfer in ein Fläschchen mit einer klaren Flüssigkeit tauchte und ihn auf einen kleinen Span mit Farbe in einem Teströhrchen legte. Sofort wurde das Fragment schwarz.
Dann machte er den gleichen Test mit einem anderen Teströhrchen und noch einem. Schließlich blickte er auf. »Guten Abend, Constance.«
»Irgendwelche Ergebnisse?«
»In der Tat. Die Farbproben hier weisen alle einen viel zu hohen Bleigehalt auf. Unser Mr Lionel Brock lagert in seinem zweiten Schlafzimmer sechs Kisten mit impressionistischen Gemälden, und wenn die übrigen so sind wie diese hier, handelt es sich bei allen um Fälschungen. Brock muss einen europäischen Kunstfälscher beschäftigen – einen Mann von beträchtlichem Talent –, um die Arbeiten zweitrangiger Künstler fälschen zu lassen, die er ohne Zweifel unter seine echten Gemälde erstklassiger Maler mischt. Wirklich ein ziemlich schlaues Vorgehen. Kein Mensch wird die Echtheit der zweitrangigen Gemälde anzweifeln, die ein Kunsthändler führt, der bekanntermaßen nur die besten, höchst skrupulös zugeordneten erstrangigen Arbeiten verkauft.«
»Wirklich clever«, sagte Constance. »Aber mir scheint, dass so ein Mann das alles nicht für ein tibetisches Kunstwerk riskieren würde.«
»Exakt. Wir können ihn streichen.« Raschelnd zog Pendergast seine Liste hervor. »Lambe habe ich auch gestrichen – der Mann hat keinen Mumm in den Knochen.«
»Wie hast du das geschafft – dich als Arzt auszugeben?«
»Lass uns nicht davon sprechen. Claude Dallas habe ich ebenfalls von der Liste gestrichen, desgleichen Lord Cliveburgh, der sich im Kokainschmuggel betätigt. Strage will verbotenerweise etliche äußerst kostbare und absolut echte griechische Vasen außer Landes bringen, und das mag zwar die Chancen verringern, dass er auch das Agozyen schmuggelt, aber wir können ihn nicht ganz ausschließen. Damit bleiben uns nur noch drei: Blackburn, Calderón und Strage. Übrigens – wie ist eigentlich dein kleines Abenteuer unterdecks verlaufen?«
»Ich habe die Frau kennengelernt, die für die Reinigung von Blackburns Triplex-Appartement zuständig ist. Zum Glück – für uns jedenfalls – hat sie den Job von einem anderen Zimmermädchen übernommen, das offenbar kurz nach dem Auslaufen einen psychotischen Zusammenbruch erlitt und sich inzwischen umgebracht hat.«
»Tatsächlich?«, sagte Pendergast, auf einmal interessiert. »Es hat einen Selbstmord an Bord gegeben?«
»So heißt es. Die Frau hat während der Schicht die Arbeit niedergelegt, ist in ihre Unterkunft zurückgekehrt und hat einen Nervenzusammenbruch erlitten. Später hat sie sich dann mit einem Holzspan ins Auge gestochen, woran sie gestorben ist.«
»Wie eigenartig. Und die Frau, die Blackburns Triplex reinigt – was sagt die?«
»Er hat sein eigenes Zimmermädchen dabei, die das Schiffszimmermädchen herumkommandiert. Außerdem hat Blackburn die Suite für die Zeit der
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