Pendergast 11 - Revenge - Eiskalte Täuschung
um typische UpperEast-Side-Gebäude, mit mehreren Wohnungen pro Etage. Noch während sie sich das Haus ansah, trat eine junge Frau aus einem der Häuser, im schicken Kostüm und mit einer Aktentasche in der Hand. Die Frau drängelte sich an ihr vorbei, praktisch ohne sie eines Blicks zu würdigen, und ließ eine Fahne teuren Parfüms hinter sich zurück. Andere junge Frauen aus dem Viertel kamen und gingen – und schienen alle dem gleichen Typus anzugehören: junge Akademikerinnen im Business-Kostüm oder Jogginganzug. Corrie wurde bewusst, dass sie mit ihrem Goth-Outfit – das stachelige, mit Farbsträhnen gefärbte Haar, all das baumelnde Metall, die vielen Ohrringe und Tattoos – auffiel wie ein bunter Hund.
Was tun?
Sie ging in einen Bagel-Shop, bestellte einen Bialy mit Räucherlachspaste und setzte sich ans Fenster, von wo aus sie einen guten Blick die Straße hinunter hatte. Wenn es ihr gelang, sich mit jemandem aus einem Erdgeschoss-Apartment auf der einen oder anderen Seite des Gebäudes anzufreunden, könnte sie sich vielleicht einschmeicheln und einen Blick in den hinteren Garten werfen. Aber in New York ging man nicht so einfach auf Leute zu und sagte hallo. Sie war nicht mehr in Kansas …
Und da sah sie, wie aus dem Brownstone rechts von Nummer 428 eine junge Frau mit langem schwarzem Haar und in Lederminirock und hohen Lederstiefeln heraustrat.
Corrie legte ein paar Dollarscheine auf den Tisch, lief aus dem Bagel-Shop und ging die Straße hinunter, ihre Handtasche schwingend und in den Himmel schauend, auf Kollisionskurs mit der anderen Goth, die ihr da entgegenkam.
Es war kinderleicht gewesen. Mittlerweile ging die Sonne unter, und Corrie relaxte in der winzigen Küche der Erdgeschosswohnung, trank grünen Tee und hörte zu, wie sich ihre neue Freundin über die vielen Yuppies im Viertel beschwerte. Sie hieß Maggie, arbeitete als Kellnerin in einem Jazz-Club und versuchte gleichzeitig, Schauspielerin zu werden. Sie war intelligent, witzig und litt eindeutig unter mangelnder Gesellschaft.
»Ich würde ja gern nach Long Island City oder Brooklyn ziehen«, sagte Maggie und umfasste ihren Teebecher, »aber mein Dad glaubt, dass jedes Viertel außer der Upper East Side von Vergewaltigern und Mördern bevölkert wird.«
Corrie lachte. »Vielleicht hat er ja recht. Das Gebäude nebenan sieht ziemlich gruselig aus.« Sie hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen, eine junge Frau zu manipulieren, die sie gern zur Freundin gehabt hätte.
»Ich glaube, das Haus steht leer. Ich denke nicht, jemals irgendjemand da hinein- oder hinausgehen gesehen zu haben. Komisch, denn es ist wahrscheinlich fünf Millionen wert. Eine Premium-Immobilie, die einfach vor die Hunde geht.«
Corrie blickte in ihren Teebecher und fragte sich, wie sie jetzt, da sie hier war, nach draußen auf die Terrasse hinter dem Brownstone und über die knapp drei Meter hohe Mauer in den Hintergarten des Spukhauses kommen und dann da einbrechen konnte.
Einbrechen.
Wollte sie das tatsächlich? Zum ersten Mal hielt sie inne, um darüber nachzudenken, warum sie eigentlich hier war und was sie vorhatte. Sie hatte sich eingeredet, lediglich die Lage checken zu wollen. Aber war es wirklich intelligent, über einen Einbruch nachzudenken, während sie am John Jay studierte, um Polizistin zu werden?
Und das war nur die eine Seite. Sicher, zu Hause in Medicine Creek war sie in mehr als nur ein paar Häuser eingebrochen – allerdings nur zum Spaß –, aber wenn Betterton recht hatte, handelte es sich bei diesen Leuten um gefährliche Drogenhändler. Und Betterton war tot. Und dann war da natürlich auch noch das Versprechen, das sie Pendergast gegeben hatte …
Ganz klar, sie würde da nicht einbrechen. Aber sie würde sich das Haus einmal ansehen. Sie würde auf Nummer sicher gehen, durchs Fenster spähen, Distanz halten. Beim ersten Anzeichen von Ärger oder Gefahr oder irgendwas würde sie sich zurückziehen.
Sie wandte sich zu Maggie um und seufzte. »Es gefällt mir hier. Ich wünschte, ich hätte auch so eine Wohnung. Übermorgen muss ich aus meiner raus, und in die neue kann ich erst am Ersten einziehen. Da muss ich wohl in einer Jugendherberge übernachten oder so was.«
Maggies Gesicht hellte sich auf. »Du brauchst ein Zimmer, wo du ein paar Tage pennen kannst?«
»Ja!« Corrie lächelte.
»Hey, es wäre super, jemanden um sich zu haben. Allein zu leben, kann einem manchmal ziemlich Angst machen. Weißt du, als ich
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