Pendergast 12 - Fear - Grab des Schreckens
Schlafzimmer, trat zur Haustür hinaus und klopfte an die Tür der anderen Doppelhaushälfte. Wieder bewegten sich die Gardinen, dann erklang eine feste Stimme.
»Wer ist da?«
»Corrie Swanson.«
»Wer?«
»Corrie Swanson. Ich bin Jack Swansons Tochter. Ich bin hier … auf Familienbesuch.«
Ein gedämpftes Geräusch, das eine gebrummte Überraschung bedeuten konnte, dann der Laut eines Schlüssels im Schloss. Die Tür ging auf, und im Türrahmen stand eine untersetzte, unangenehm wirkende Frau, die dicken Arme vor der Brust verschränkt, das Gesicht schrumplig wie ein Topfreiniger. Der Raum hinter ihr verströmte den Geruch von Zigarettenqualm. Sie musterte Corrie von oben bis unten und ließ den Blick dann auf der lila Haarsträhne ruhen. »Jack Swansons Tochter? Ah, verstehe. « Wieder wurde Corrie taxiert. »Der ist nicht da.«
»Das sehe ich«, sagte Corrie und hatte Mühe, den gewohnheitsmäßigen Sarkasmus aus ihrer Stimme herauszuhalten. »Ich hab mich nur gefragt, wo er steckt.«
»Er ist gegangen.«
Wieder verkniff sich Corrie eine barsche Antwort und brachte es fertig zu fragen: »Wissen Sie, wohin er gegangen ist und wann er zurückkommt?« Sie schenkte der Xanthippe ein falsches Lächeln.
Wieder wurde sie taxiert. Nach ihren Grimassen zu urteilen, überlegte die Frau offenbar, ob sie ihr etwas Wichtiges mitteilen sollte oder nicht. »Er steckt in Schwierigkeiten«, sagte die Frau schließlich. »Ist aus der Stadt geflohen.«
»In was für Schwierigkeiten?«
»Er hat dem Händler, bei dem er gearbeitet hat, ein Auto gestohlen und damit eine Bank ausgeraubt.«
»Was hat er?« Corrie war aufrichtig überrascht. Sie wusste, dass ihr Vater ein Loser war, aber der Eindruck, den sie im Laufe der Jahre von ihm gewonnen hatte – gefiltert durch die verbitterten Schimpftiraden ihrer Mutter –, war der eines charmanten Hallodris, der den kürzesten Weg nahm, mit zu vielen Frauen schlief, ein Pläneschmied, der ständig den Job wechselte und seine besten Momente im Leben an der Bar sitzend verbrachte, wo er den bewundernden Freunden seine Witze und Geschichten erzählte. Aber ein Krimineller war er nicht.
Natürlich konnte sich in den fünfzehn Jahren, in denen er fort gewesen war, viel verändert haben.
Aber vielleicht, dachte sie, ist es gar nicht so schlecht. Sie könnte dann in seinem Haus wohnen und müsste sich nicht mit ihm abgeben. Vorausgesetzt, er hatte die Miete bezahlt. Aber selbst wenn er’s nicht hatte, die Miete für ein Loch wie dieses dürfte nicht allzu hoch sein, außerdem hatte Pendergast ihr dreitausend Dollar gegeben.
»Eine Bank ausgeraubt?« Corrie konnte nicht anders, als die Frau scheißfreundlich anzulächeln. »Wow. Der gute alte Dad. Hoffentlich hat er einen Riesencoup gelandet.«
»Sie mögen das für lustig halten, aber ich versichere Ihnen, wir sind da anderer Meinung.« Und damit presste die Frau die Lippen zusammen und schloss die Tür fest hinter sich.
Corrie ging zurück zu ihrer Haushälfte, sperrte die Haustür ab und ließ sich erneut aufs Sofa fallen, legte die Beine hoch und lehnte sich zurück. Um jede Unannehmlichkeit zu vermeiden, müsste sie aktiv werden, die Polizei benachrichtigen, dass sie hier war, den Vermieter anrufen, sich vergewissern, dass Miete, Strom und Wasser bezahlt waren. Noch einmal sagte sie sich, dass es besser sei, dass ihr Verlierer-Vater auf der Flucht war. Auf diese Weise musste sie sich nicht mit diesem Quatsch befassen.
Aber irgendwo tief im Inneren fühlte sie sich hintergangen. War enttäuscht, traurig sogar. Sie musste zugeben, dass sie ihn trotz allem treffen wollte – und wenn auch nur, um ihn auf den Kopf zu zu fragen, warum er sie verlassen und in der Gewalt einer Mutter zurückgelassen hatte, von der er genau wusste, dass sie eine furchtbare Schlampe und Trinkerin war. Es musste eine Erklärung dafür geben – und für die vielen Briefe und Pakete in seiner Ankleide. Zumindest hoffte sie das.
Sie hatte Durst und ging in die Küche, drehte den Wasserhahn auf, ließ das rostige Wasser laufen, bis es nicht mehr lauwarm war, goss ein Glas voll und trank es aus. Er war also auf der Flucht. Wohin war er geflohen?
Und noch während sie sich diese Frage stellte, wurde ihr klar, dass sie die Antwort kannte.
20
F elder war noch nie in Southport, Connecticut, gewesen und stellte fest, dass ihm die Stadt unerwartet gut gefiel. Eine hübsche, ein wenig verschlafene Hafenstadt in dem ansonsten boomenden Fairfield County. Als
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