Pendergast 12 - Fear - Grab des Schreckens
er von der Pequot Avenue auf die Center Street bog, um ins historische Viertel zu gelangen, dachte er, dass man es sehr viel schlechter treffen könne, als in einem solchen Ort zu wohnen.
Die Stadt verströmte New-England-Atmosphäre in Reinkultur. Die Häuser waren überwiegend im Kolonialstil erbaut, dem Aussehen nach zu Beginn des 20. Jahrhunderts, waren komplett mit weißen Schindeln verschalt und hatten gepflegte, eingezäunte Grundstücke mit Baumbestand. Auch die Stadtbibliothek war beeindruckend – ein weitläufiges Natursteingebäude im neoromanischen Stil mit skurrilen Details. Der einzige Fleck auf der weißen Weste der Stadt schien eine ein paar Häuser von der Bibliothek entfernt gelegene alte Villa zu sein: ein verwahrloster Kasten im Queen-Anne-Stil, wie entsprungen aus der Addams Family mit seinen löchrigen Fensterläden, den losen Dachschindeln und dem Rasen voller Unkraut. Fehlte nur noch, dachte er sarkastisch im Vorbeifahren, ein grinsender Onkel Fester in einem der oberen Fenster.
Seine Laune stieg wieder, als er in den eigentlichen Ortskern kam. Er bog auf einen Parkplatz gegenüber dem Yachtclub, warf einen Blick auf eine handgeschriebene Notiz und überquerte federnden Schritts die Straße auf ein freundlich wirkendes, einstöckiges Fachwerkhaus mit Blick auf den Hafen zu.
Im Historischen Museum von Southport roch es angenehm nach alten Büchern und Möbelpolitur. Es war mit diversen gut erhaltenen Antiquitäten eingerichtet. Bis auf eine wohlfrisierte Frau in gewissem Alter – ebenfalls gut erhalten –, die in einem Schaukelstuhl saß und stickte, schien niemand da zu sein.
»Guten Tag. Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«
»Ja, durchaus. Hätten Sie etwas dagegen, mir einige Fragen zu beantworten?«
»Ich beantworte Ihnen gern alles, was ich kann. Bitte nehmen Sie doch Platz.« Die Frau deutete auf einen Schaukelstuhl ihr gegenüber.
Felder setzte sich. »Ich forsche ein wenig über den Maler und Illustrator Alexander Wintour. Wie ich höre, stammt seine Familie hier aus der Gegend.«
Die Frau nickte. »Ja, das stimmt.«
»Ich interessiere mich für seine Arbeiten. Insbesondere seine Skizzenbücher. Ich wüsste gern, ob sie noch existieren und ob Sie mir einen Tipp geben könnten, wo ich meine Suche nach ihnen beginnen sollte.«
Behutsam legte die Frau sich die Stickereiarbeit auf den Schoß. »Nun, junger Mann, ich kann Ihnen mit einiger Sicherheit sagen, dass sie höchstwahrscheinlich wirklich existieren. Und ich weiß auch, wo Sie sie finden können.«
»Das freut mich zu hören«, sagte Felder und spürte, wie ihn ein kurzer Schauer überlief. Die Sache gestaltete sich einfacher, als er gedacht hatte.
»Wir wissen hier eine ganze Menge über die Familie Wintour«, fuhr die Frau fort. »Alexander Wintour hat es nie ganz bis an die Spitze geschafft, könnte man sagen. Er war ein guter Illustrator mit einem guten Auge, aber nicht, was man einen echten Künstler nennen würde. Trotzdem sind seine Arbeiten in historischer Sicht interessant. Aber damit erzähle ich Ihnen sicherlich, was Sie schon wissen.« Sie lächelte freundlich.
»Nein, nein«, beeilte sich Felder, ihr zu versichern. »Bitte sprechen Sie weiter.«
»Was seine Familie angeht, hat der Sohn seines Bruders – sein Neffe – eine ausgezeichnete Partie gemacht. Er heiratete die Tochter eines örtlichen Schiffsmagnaten. Alexander, der nie geheiratet hat, zog aus dem Familienbungalow der Wintours an der Old South Road aus und in das sehr viel größere Haus seines Neffen in der Nähe.«
Felder nickte eifrig. »Erzählen Sie weiter.«
»Der Schiffsmagnat war ein begeisterter Sammler von literarischen Memorabilia – Bücher, Manuskripte, hin und wieder eine Lithographie und vor allem Briefe. Während seiner Reise durch Kalifornien im Jahr achtzehnhundertzweiundachtzig soll er die vollständige Sammlung von Albert Bierstadts Korrespondenz erworben haben, darunter auch Dutzende Skizzen. Es ist ihm auch gelungen, eine Reihe von Liebesbriefen zu erstehen, die Grover Cleveland an Frances Folsom schrieb, bevor sie seine Frau wurde – er war der einzige Präsident, der jemals im Weißen Haus geheiratet hat, wie Sie vielleicht wissen.«
»Nein, das habe ich nicht gewusst«, sagte Felder und beugte sich ein wenig weiter vor.
»Nun ja! Und dann sind da noch die Briefe, die Henry James an seinen Lektor bei Houghton Mifflin geschickt hat, als er am Bildnis einer Dame schrieb. Wirklich, eine äußerst
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