Pendergast 12 - Fear - Grab des Schreckens
um, mit dem sie das Vorstellungsgespräch geführt hatte – besser gesagt: der sich geweigert hatte, es zu führen. Und da stand er, eine Diät-Cola in der Hand, brauner Anzug und alles. Er unterhielt sich gerade mit zwei anderen Verkäufern und lachte lüstern über irgendwas. Als Corrie sich ihnen näherte, verstummten sie. Der Manager sah sie mit leicht zusammengekniffenen Augen an, hielt aber klugerweise den Mund.
»Ich möchte Ihnen sagen«, verkündete der Professor mit dröhnender Stimme, »dass Ihre neue Verkäuferin da eben hervorragende Arbeit geleistet hat – sie hat uns nämlich die rote CTS-V-Limousine verkauft. Also, reden wir offen über den Preis und bringen den Deal unter Dach und Fach.«
Corrie stand da und fragte sich, was jetzt wohl passieren würde, aber der Manager war ein cooler Typ. Ohne mit der Wimper zu zucken, bedeutete er einem der Verkäufer, die Formalitäten vorzubereiten, dann schüttelte er dem Ehepaar die Hand, gratulierte ihnen zu ihrem guten Geschmack und lobte Corrie für ihre gute Arbeit, als wäre sie tatsächlich Verkäuferin.
Zum Schluss gab er Corrie einen Klaps auf die Schulter und sagte freundlich: »Wenn Sie bitte in mein Büro kommen, dann reden wir kurz miteinander.«
Corrie betrat das Büro und wartete beklommen. Nach einer halben Stunde kam der Manager zurück, setzte sich hinter den Schreibtisch, seufzte, verschränkte die Arme und beugte sich vor. »Was, zum Teufel, glauben Sie, haben Sie da gerade eben getan?«
»Ich habe für Sie ein Auto verkauft, oder etwa nicht?«
Er starrte sie an. »Ist ja toll. Ich verkaufe ein halbes Dutzend Autos am Tag.«
Corrie erhob sich. »Ich hab nur versucht, Ihnen zu zeigen, was ich kann. Wenn Ihnen das nicht gefällt, okay. Behalten Sie die Provision, ich geh dann zur Tür raus und komme nie mehr wieder.« Sie stand beleidigt auf.
»Setzen Sie sich, setzen Sie sich doch.« Der Manager schien sich zu beruhigen. »Okay, ich gebe zu, ich bin beeindruckt. Mr. und Mrs. Fliege sind ein Dutzend Mal hier gewesen, und ich war mir ziemlich sicher, dass sie nicht wirklich interessiert sind. Aber Sie haben ihnen in einer halben Stunde ein Siebzigtausend-Dollar-Auto verkauft. Wie haben Sie das gemacht?«
»Das ist mein Geheimnis.«
Er sah sie ungläubig an. Ihm gefiel die Antwort ganz und gar nicht. »Wollen Sie eine Anstellung bei uns? Dann lernen Sie, ein wenig Respekt zu haben.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe ein System, und wenn Ihre Verkäufer das erlernen wollen, können sie mir bei der Arbeit zuschauen.« Sie schenkte ihm ein überhebliches Lächeln. Der Manager war bestimmt ein Super-Arschloch, aber ein intelligentes und berechenbares, das sich auf seinen Vorteil verstand. Sie nahm an, dass er eine kesse Draufgängerin zu schätzen wusste.
»Also gut«, sagte er. »Okay. Wir probieren es mal mit Ihnen für eine Woche. Wir brauchen eine Verkäuferin, haben aber keine. Kein Gehalt, nur Provisionen, keine Sozialabgaben, Sie arbeiten auf Selbständigenbasis, Bezahlung in bar, ohne Mehrwertsteuer. Geben Sie’s nicht bei der Steuer an, wir tun das nämlich garantiert auch nicht. Und Sie arbeiten durchgehend mit einem Partner. Einverstanden?«
»Einverstanden.«
Er streckte ihr die Hand entgegen. »Joe Ricco junior.«
»Corrie Swanson.«
Sie schüttelten einander die Hand. »Sie sind nicht zufällig mit Jack Swanson verwandt?«, fragte Ricco beiläufig.
»Nein. Wieso?«
»Weil es seine Stelle war, auf der Sie jetzt arbeiten.«
»Hab noch nie von ihm gehört. Swanson ist ein verbreiteter Name. Sie wissen, wie die, die diese Kochsendungen im Fernsehen machen.«
»Sie stammen doch wohl nicht aus der Familie, oder?«
Sie wurde rot. »Aber erzählen Sie niemandem davon. Es gefällt mir, wenn die Leute glauben, dass ich arbeiten muss, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen.«
Ricco junior war beeindruckt. Schwer beeindruckt.
32
D er Junge saß am Tisch und aß Toast mit Butter und Marmelade. Noch nie im Leben hatte er etwas so Wunderbares geschmeckt. Und die Würstchen, die die Asiatin ihm gebracht hatte – viele Male hatte er beobachtet, wie sein Bruder Würstchen gegessen hatte, aber er selbst hatte noch nie eines gegessen, nur den Duft gerochen und sich dabei vorgestellt, wie die wohl schmeckten. Beim Kauen dachte er an seinen neuen Namen: Tristram. Er klang merkwürdig, fand er, und er wiederholte ihn im Geiste, um sich an ihn zu gewöhnen. Tristram. Tristram. Es kam ihm wie ein Wunder vor, einen eigenen Namen
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