Pendragon - Der Anfang
Augenblick hörte ich das Geräusch.
Es war anders als das Dröh nen. Es klang eher, als würde etwas zerbrechen. Wenn ihr gehört habt, welchen Laut ein großer Baum verursacht, ehe er umkippt, dann wisst ihr, was ich meine. Es klingt schrecklich, und der Baum scheint zu kreischen, während er sich verzweifelt an sei nem Stumpf fest klammert. Dieses Geräusch hörte ich jetzt, aber unendlich viel lauter als bei ei nem Baum.
Ich blickte nach oben und nach links, um die Ursache für den Lärm herauszufinden. Dann begriff ich, was geschah. Der ganze Bedoowan-Palast, die gewaltige, fünf Stockwerke hohe Festung in den Klippen, stürzte ein. Das Kreischen entstand, als er versuchte, sich an seinem luftigen Platz zu halten. Doch vergebens. Die Tak-Explosion riss ihn in Stücke. Überall in den Mauern zeigten sich Risse; wie ein Spinnennetz sahen sie aus. Mit einem letzten Stöhnen löste sich das Gebäude vom Felsen und neigte sich wie in Zeitlupe vornüber. Mit Donnergetöse kippte es in den Ozean.
Hätte uns die Strömung in die andere Richtung getrieben, wären Loor und ich unter der Burg begraben worden. Trotzdem befanden wir uns keineswegs in Sicherheit. Als die riesige Burg ins Wasser stürzte, entstand eine tierisch hohe Welle, die genau auf uns zukam. Wenn wir nicht oben blieben, würden wir ga rantiert ertrinken. Also machte ich mich bereit, ein wenig Wellenreiter zu spielen. Wir wurden beide erfasst, emporgehoben und landeten sicher auf der anderen Seite … wir hatten überlebt.
Sobald die schlimmste Gefahr vorbei war, spähte ich zur Festung hinüber. Besser gesagt zu dem, was davon übrig war. Die Hälfte der Burg lag unter Wasser.
Ich sah nach oben zu den Klippen empor und entdeckte eine klaffende Wunde, wo einst der Pa last gewesen war. Jetzt sah man nur noch die gewaltigen Säulen, die ihn gestützt hatten.
Plötz lich merkte ich, dass keine Flam men mehr aus den Schächten quollen. Auch das Dröh nen war verstummt. Die Explosion war vorbei … und wir lebten noch! Jetzt mussten ich nur noch Loor an Land ziehen.
Es dauerte nicht lange, bis wir das Ufer erreichten. Als meine Füße den Grund berührten, stand ich auf und legte mir Loor wieder über die Schulter. Diesmal fiel es mir sehr schwer. Mei ne Kraft hatte mich verlassen, ich sank auf die Knie und legte Loor im Sand ab.
Danach brach ich zusammen. Sobald ich wieder durchatmen konnte und Loor aufwachte, würden wir die Klippen hinaufsteigen, um nach Alder und Onkel Press zu suchen. Ich hatte Angst vor dem, was wir finden würden. Doch jetzt konnte ich mir keine Sorgen mehr machen. Ich wollte erst einmal genießen, noch am Leben zu sein, und legte mich hin. Ich schloss die Augen und schlief auf der Stelle ein.
Ich glaube, ich hatte es mir verdient.
VIERTES JOURNAL (FORTSETZUNG)
DENDURON
Wahr schein lich hätte ich wo chen lang am Strand ge schla fen, wenn mich nicht jemand sanft angestoßen hätte. Während ich langsam aus dem Traumland zurückkehrte, fiel mir der gigantische Hai aus dem Flume ein. Das Anstupsen und der Hai schienen irgendwie zusammenzugehören. Plötzlich war ich über zeugt davon, dass er überlebt hatte und dabei war, mir den Fuß ab zubeißen. Ich schrie auf, sprang zur Seite und zog die Beine schützend in die Höhe.
Natürlich war es kein Hai. Es war Loor. Sie war wach und versuchte mich zu wecken. Da sie nicht mit einer so dramatischen Reaktion gerechnet hatte, erschrak sie ebenfalls.
»Tut mir leid, Pendragon«, sagte sie verlegen. »Ich wusste nicht, dass du so kitzlig bist.«
Kitzlig? Es war mir furchtbar peinlich, und so erklärte ich ihr nicht, warum ich gesprungen war. »Kein Problem«, antwortete ich. »Wie fühlst du dich?«
Sie rieb sich die gräss liche schwarzblaue Beu le auf der Stirn und verzog das Gesicht.
»Mein Kopf hat nicht so sehr gelitten wie mein Stolz«, meinte sie.
»Woran erinnerst du dich?«
»Irgendet was kam durch das Flume auf uns zu, aber das, woran ich denke, ergibt keinen Sinn.«
»Doch, tut es«, widersprach ich. »Es war wirk lich ein Hai. Saint Dane wollte verhindern, dass wir ihm folgen.«
Loor dachte eine Wei le nach. Wahrschein lich hoffte sie, ihre Erinnerungen wären nur ein böser Traum. »Danach erinnere ich mich nicht an viel«, fuhr sie fort. »Doch ich glau be, du hast mich getragen. War das ein Traum?«
»Nein, war es nicht.«
Sie runzelte die Stirn. Irgendwann würde ich ihr sämtliche Einzelheiten unserer Flucht erzählen, aber jetzt war nicht der richtige
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