Pendragon - Der Anfang
ich zu dick aufgetragen. Langsam stand sie auf und schaute auf mich herab. Es kostete mich große Mühe, nicht zurückzuweichen, denn hätte ich Angst gezeigt, wäre das mein Ende gewesen.
»Warum sollte ich dir helfen, deinen Onkel zu retten, obwohl meine Mutter starb, als sie dich beschützen wollte?« Ihr Blick war durchdringend, und ihre Augen funkelten.
»Genau deshalb wirst du mir helfen«, erklärte ich mit fester Stimme. »Wir wissen beide, dass ich die Milago nicht gegen die Bedoowan anführen kann. Onkel Press ist der Richtige dafür. Ich will ihn retten, weil er mein Onkel ist. Aber wenn du so großes Mitgefühl mit den Milago hast, wie du immer behauptest, dann willst du ihn auch retten, weil diese Leute ihn brauchen.«
Loor rührte sich nicht. Ich glaubte eine Veränderung in ihrem Blick zu bemerken. Geriet sie ins Wanken? Sie trat ein paar Schritte zurück und hob ihren Kampfstab auf, der auf dem Boden lag.
»Heute findet ein Treffen statt«, sagte sie mit eisiger Miene. »Ich gestatte dir, daran teilzunehmen.«
Ein Treffen. Toll. Ich hatte keine Ahnung, worum es ging, aber wenigstens war sie bereit, mich einzubeziehen. Das war ein Anfang. Doch dann kam sie auf mich zu und richtete den Stab drohend auf mich. »Ich werde dich nicht schützen, Pendragon. Wenn du mitkommst, bist du auf dich allein gestellt.«
Nach diesem süßen Versprechen wandte sie sich zum Gehen. Ich war nicht sicher, was ich tun sollte, bis sie sich umdrehte und mich anblaffte: »Komm jetzt!«
Zwar hatte ich keine Ahnung, wohin wir liefen, aber ich folgte ihr willig. Sie kletterte die Leitern bis zur Oberfläche empor. Es war Nacht, und die Sterne leuchteten hell genug, dass wir gut sehen konnten. Loor blickte sich misstrauisch um, ob irgendwo ein Ritter auf uns wartete. Gute Idee. Ich blickte mich ebenfalls um, aber alles war ruhig. Im Dorf betraten wir die Hütte, in der ich am ersten Tag aufgewacht war. Ich hatte mich nicht geirrt, es war eine Art Krankenhaus. Zwei der Holzpritschen waren belegt. Allerdings nicht mit Leuten, die auf Genesung warteten. Osa und der Bergmann, der den Flaschenzug bedient hatte, waren dort
aufgebahrt, bis man sie beerdigen würde. Eigentlich hätte es mir unheimlich sein müssen, aber so war es nicht.
Es befanden sich noch zwei Personen im Raum, und beide waren lebendig und munter. Ich sah den Ritter namens Alder, der laut Loor der Reisende von Denduron war, und Rellin, den Vorarbeiter der Bergleute. Sie saßen im Schneidersitz vor einem lodernden Feuer. Loor trat zur Feuerstelle und setzte sich zu ihnen. Das war offensichtlich das Treffen, zu dem sie mich eingeladen hatte, und so nahm ich ebenfalls Platz.
Rellin eröffnete die Versammlung mit den Worten: »Es tut mir leid wegen deiner Mutter, Loor. Sie war eine wunderbare Frau. Ich spreche im Namen aller Milago, wenn ich sage, dass wir dir und deinen Leuten sehr dankbar sind, weil ihr uns helfen wollt. Ich bin zutiefst betrübt, dass es so endet.«
Loor holte tief Luft und antwortete: »Ich danke dir, aber der Tod meiner Mutter ist nicht das Ende. Wir werden die Milago befreien.«
Rellin wirkte nervös. Plötzlich herrschte eine angespannte Stimmung im Raum. Ich fühlte es, und Loor fühlte es auch. Ich weiß nicht, was Alder fühlte, da ich ihn kaum kannte.
»Nein«, verkündete Rellin entschlossen. »Es ist vorbei. Es wird keine Revolution geben.« Mit dieser Feststellung stand er auf, um zu gehen. Doch Loor sprang auf und stellte sich ihm in den Weg. Rellins Worte hatten sie überrascht.
»Wie kannst du so etwas sagen, Rellin?«, rief sie. »Wenn sich die Milago nicht von den Bedoowan befreien, werdet ihr alle sterben!«
»Und wenn wir kämpfen, sterben wir noch früher. Wir sind keine Krieger. Du weißt das, Alder.« Er sah den Ritter an, der den Kopf hängen ließ. Dann wandte sich Rellin wieder an Loor. »Und du weißt es auch, Loor. In einem Kampf gegen die Bedoowan-Ritter hätten wir keine Chance. Sie würden uns abschlachten.«
Loor gab nicht auf. »Erinnerst du dich an Press’ Worte? Zwar
seid ihr keine Krieger, aber ihr seid stark. Er sagte, die Bedoowan hätten nicht den Charakter, den Milago Widerstand zu leisten, wenn sich diese zu Wehr setzten. Er sagte …«
»Press ist nicht mehr da!«, brüllte Rellin. »Und nun ist auch Osa nicht mehr bei uns. Wer soll uns jetzt durch den Wahnsinn führen? Du? Er?« Rellin zeigte auf mich. »Ihr seid Kinder. Eure Gründe sind wahrlich edel, aber es ist an der Zeit, närrische
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