Pendragon - Der Anfang
Entsetzen sah ich, dass die Hand des alten Mannes ihn noch immer umklammerte.
Ich schaute zu Kagan und den anderen Bedoowan hinauf. Der
Anblick war beinahe so furchtbar wie das Gemetzel in der Arena. Kagan saß auf der Kante des Throns und klatschte so freudig in die Hände wie ein kleines Mädchen beim Kasperltheater. Die übrigen Bedoowan lachten schallend wie die Zuschauer bei einer Comedyshow. Im Hintergrund hörte ich schreckliche Geräusche von reißendem Fleisch und berstenden Knochen, als das Quig den Bergmann in Stücke riss. Er stieß einen lauten Schrei aus und verstummte dann. Zum Glück starb er schnell. Jetzt fraß sich das Quig satt. Mir drehte sich der Magen um, und ich hasste die Bedoowan noch mehr, weil sie keinen Hauch von Mitgefühl für ein anderes Lebewesen zeigten.
Mallos beobachtete mich grinsend. Das schien mir der schlimmste Augenblick von allen zu sein, denn ich bekam das Gefühl, er hätte das Spektakel nur für mich inszeniert. Der Gedanke, dass ich womöglich verantwortlich für den Tod des Mannes war, brachte mich an den Rand des Wahnsinns.
Es war schnell vorbei. Die Bedoowan applaudierten, als hätte das Quig ein besonders tolles Kunststück vorgeführt. Selbst die Novaner klatschten Beifall, aber nicht so enthusiastisch wie die Bedoowan. Die Milago sahen starr vor Grauen zu. Einige weinten.
Danach erklangen wieder die Xylofontöne. Sofort rannten sechs Ritter mit Seilen in den Händen in die Arena. Drei von ihnen hielten das Quig mit Speeren in Schach, während die anderen ihm die Seile um den Hals warfen und es auf das große Tor zuzerrten. Jetzt, da es gefressen hatte, war es viel ruhiger als vorher. Es ließ sich ohne Gegenwehr wegziehen. Ich sah, wie ihm das Blut von den Lefzen tropfte, als es aus der Arena verschwand. Ich schaute zu der Stelle hinüber, wo es den Mann angegriffen hatte. Nur ein großer roter Blutfleck auf dem Gras war von ihm übrig geblieben. Ein Ritter füllte einen Eimer mit Wasser aus einem hohen Behälter, lief zu der Stelle und spülte das Blut weg. Wasser und Blut versickerten im Boden.
Wieder hörte ich zwei Töne, und mit Grauen wurde mir klar: Wir waren die Nächsten. Man hatte uns gezeigt, wie unser Schicksal aussah, und nun war die Reihe an uns. Ich blickte mich um und erwartete, dass uns die Ritter in die Arena schubsen würden. Aber sie beachteten uns nicht. Also sah ich zu Mallos hinauf. Er erwiderte meinen Blick und deutete zum Himmel. Ich schaute empor und begriff, was passieren würde.
Die drei Sonnen waren dabei, miteinander zu verschmelzen: Equinox. In der Arena öffnete sich erneut die Tür, durch die der Milago hinausgestoßen worden war. Doch heute wurden keine Milago mehr umgebracht. Mein Herz setzte sekundenlang aus. Ein Mann trat aufrecht ins Sonnenlicht, den Kopf stolz erhoben. Ich glaube, ich stöhnte laut, als ich ihn erkannte.
Es war Onkel Press. Es war Equinox, und er würde als Nächster sterben.
DRITTES JOURNAL (FORTSETZUNG)
DENDURON
Mutig schritt Onkel Press in die Mitte der Arena. Ich hatte ihn erst vor wenigen Tagen zum letzten Mal gesehen, aber nach allem, was passiert war, kam es mir wie Monate vor. Es war seltsam, ihn in der Lederkleidung der Milago zu sehen. Ich kannte ihn bloß in Jeans und dem langen Ledermantel, der im Wind flatterte, wenn er Motorrad fuhr. Doch es hatte sich viel verändert. Obwohl er noch immer Onkel Press war, sah er mit dem Dreitagebart und den struppigen Haaren wie ein Milago-Bergmann aus. Aber im Gegensatz zu den Milago strahlte Onkel Press Selbstsicherheit aus. Die Bedoowan hörten auf zu lachen und zu plaudern. Sie wirkten angespannt, als wüssten sie, dass dieser neue Gladiator ihnen mehr bieten würde als sein Vorgänger.
Ich blickte zu den Milago hinauf, die seinen Auftritt ähnlich gespannt beobachteten. Doch statt Angst zu haben wie um den gerade getöteten Mann, zeichnete sich jetzt Hoffnung auf ihren Gesichtern ab. Nur die Novaner benahmen sich genauso wie vorher. Sie spendeten Onkel Press höflichen, emotionslosen Beifall.
Obwohl er so selbstbewusst auftrat, würde er mehr als nur Selbstsicherheit brauchen, um ein hungriges Quig zu besiegen. Trotzdem gab uns sein Auftreten das Gefühl, dass – wenn es überhaupt jemand schaffen konnte – dieser Mann in der Lage war, es
mit einem Quig aufzunehmen. Er stand in der Mitte der Arena und musterte die Zuschauer. Dabei drehte er sich um die eigene Achse, bis er die Bedoowan im Visier hatte. Ich sah, wie er den Kopf schüttelte, und
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