Penelope Williamson
Der
Gedanke, daß er vor ihren Augen Schande über sich und Schande über seine Ehre
bringen würde, war ihm mehr als unangenehm.
Donagh
erschreckte ihn, als er ihm grob den ledernen Mundschutz zwischen die Zähne
schob. »Es wäre schön, Seamus, mein Junge, wenn du deine Gedanken auf das
konzentrieren könntest, was du jetzt zu tun hast«, sagte er, versetzte Shay
einen derben Schlag auf die Schulter und schob ihn in den Ring, wo ihn der Mann
aus Harvard bereits an der Mittellinie erwartete.
Für einen
Augenblick herrschte atemlose Stille, dann brach die Menge in einen
Beifallssturm aus, der so laut war wie ein Kanonenschlag, als Shay seinem
Gegner blitzschnell einen Schlag mit der Rechten dicht hinter das Ohr versetzt
und ihn damit so heftig in die Seile warf, daß ihm der Hanf die Haut aufriß.
Danach
kämpften die Männer mehrere Minuten ausgeglichen, bis Shays Rechte wie eine
Keule mitten in Parkers Gesicht landete. Der Mann aus Harvard ging auf ein Knie,
aber in diesem Augenblick läutete bereits die Glocke und beendete die erste
Runde.
Shay gestattete sich ein
Lächeln, denn er hatte die wohlgeformte Nase des Champions gebrochen.
Doch auch
Shay hatte einiges abbekommen. Seine Lippe war aufgeplatzt, und er hatte am
Brustkorb Quetschungen und rote Flecken. Donagh betupfte die Lippe mit einem
Schwamm und verzog das Gesicht zu einer Grimasse, als er zur Ecke des Gegners
hinüberblickte. Parkers Helfer saugte mit dem Mund Blut aus der zerschmetterten
Nase und spuckte es auf das Segeltuch.
»Heiliger
Strohsack«, murmelte Donagh und schüttelte den Kopf. »Du weißt, mein lieber
Seamus, ich mag dich wirklich sehr. Aber ich glaube nicht, daß ich so etwas tun
könnte. Und dabei hast du einen Zinken im Gesicht, der geradezu danach schreit,
zerquetscht zu werden.«
Die Glocke
unterbrach Shays Lachen. »Halt dich gut bedeckt und die Ellbogen dicht an den
Rippen«, rief Donagh ihm nach, als Shay vom Stuhl sprang und sofort zum Angriff
überging. Auch Parker kam schnell aus seiner Ecke, doch Shay konnte bereits in
der ersten Minute erkennen, daß es den Ausfällen seines Gegners bereits an
Schnelligkeit und genauer Berechnung mangelte. Der Champion aus Harvard zuckte
sogar bei Schlägen zusammen, die ihn überhaupt nicht trafen.
Ein Mann
kämpfte ebensosehr mit dem Kopf wie mit den Händen. Obwohl die Angst immer in
Shay lauerte, konnte er sie nicht zulassen. Er konnte nicht erlauben, daß ihm
die Angst vor einer Verletzung bewußt wurde, sonst würde er mit Sicherheit
verletzt werden und damit verlieren.
James
Parker roch seine Niederlage am eigenen Angstschweiß, und deshalb begann er
unsauber zu werden. Er wirbelte mit den Armen wie Dreschflegel, tänzelte durch
den Ring und versuchte immer wieder, Shay ein Bein zu stellen, um ihn zu Fall
zu bringen. Er landete sogar zwei Haken unter der Gürtellinie, die ihm heftige
Buhrufe der Zuschauer einbrachten.
Shay bekam allmählich das
Gefühl, er dürfe nicht mehr mit voller Kraft zuschlagen, weil der Kampf sonst
nicht bis zur vierten Runde dauern würde.
Dann
täuschte Parker mit einer Rechten und setzte mit der Linken nach. Der Schlag
ging ins Leere, denn Shay duckte sich rechtzeitig. Doch er rutschte auf einem
Blutklumpen aus, und obwohl er nicht zu Boden ging, war er so lange abgelenkt,
daß sein Gegner eine Gerade gegen seinen Hals landen konnte. Seine Beine
fühlten sich wie Spaghetti an, als er sich torkelnd aufrichtete, und er konnte
nicht mehr tun, als sich weiteren Treffern durch Tänzeln, Ausweichen und Ducken
zu entziehen, bis die Glocke läutete.
»Also ...«,
sagte Donagh, während er Shay ein Röhrchen zwischen die aufgeplatzten Lippen
schob, damit er Wasser trinken konnte, »ich mag den Kerl nicht. Ich finde, dem
muß man eine Lektion erteilen.« Shay lächelte und zuckte zusammen, weil die
Wunden am Mund bei der Bewegung schmerzten. »Und was ist dann mit dem
Opferkasten für die Armen in Saint Mary?«
Donagh grinste. »Gott ist
selbst jemand, der dem Menschen gibt, was er verdient hat. Er würde es
verstehen.«
»Und die
Gewehre des Clans?«
»Der Clan, das sind stolze
irische Kämpfer, die ebenfalls Verständnis dafür hätten.«
Die Glocke läutete, und Shay
sprang auf. Doch er blieb noch in seiner Ecke. Er blickte zu seiner Frau
hinüber und dachte daran, was er tun würde,
was er im Innern wahrscheinlich schon die ganze Zeit hatte tun wollen –
ihretwegen. Seine Bria machte ihn immer besser, als er war.
Ein Mann
kämpfte ebenso mit dem
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