Penelope Williamson
Herzen wie mit seinem Kopf und seinen Händen. Er kämpfte
mit dem Haß und dem Feuer, die er im Herzen trug. Um einen anderen Mann mit
bloßen Fäusten zu Boden zu schlagen, mußte man ohne jedes Mitleid und Mitgefühl
kämpfen. Und um das zu tun, mußte man hassen.
Shay
landete mit voller Kraft eine rechte Gerade, die das zermalmte, was von Parkers
Nase noch übrig war. Doch er sah nicht das Gesicht des Mannes, den er traf. Er
sah die Leiche seiner Mutter, die mit gebrochenen Knochen in der Brandung am
Felsstrand lag. Er sah den schlanken weißen Körper seiner Frau unter dem geilen
Schwein von einem Friedensrichter, der einen Rock trug, der so rot war wie das
Blut zwischen ihren Schenkeln.
Shay
bearbeitete das Gesicht des Mannes mit knappen, harten Geraden, verpaßte ihm
Hammerschläge gegen Brust und Bauch und trieb ihn quer durch den Ring in die
Seile. Parker hielt in dem vergeblichen Versuch, die Hiebe abzuwehren, die Arme
schützend vor den Kopf. Er gab es sogar auf, zurückzuschlagen, wenn man von
einem kraftlosen Schlag in Shays Gesicht mit der unsicheren Linken absah.
Shay traf
das Gesicht seines Gegners mehrmals mit der Linken, täuschte und verpaßte ihm
mit der Rechten einen Kinnhaken. Parker zuckte zusammen, hob die Arme, und Shay
verlagerte sein beachtliches Gewicht, stellte den rechten Fuß vor und traf ihn
zuerst mit der Rechten am Herzen und mit der Linken im Magen.
Shay hörte und fühlte, wie sich
sein Daumen in derselben Sekunde ausrenkte, in der er sah, wie das Licht aus
Parkers Augen verschwand und der Champion aus Harvard bewußtlos zu Boden ging.
Parkers Helfer nahm einen
Schwamm aus dem Eimer und warf ihn in die Mitte des Rings. Das Publikum raste:
»K.o.! K.o.!« und drängte sich an den Seilen.
Shay sah sich nach seiner Frau
um und entdeckte sie. Bria bahnte sich einen Weg durch die erregte Menge. Sie
lächelte. Er fand, sie wirke sehr jung und hübsch mit ihren rosig blühenden
Wangen und den prachtvollen roten Haaren, die im Fackelschein loderten.
Doch dann hustete sie heftig
und drückte die Faust an die Brust. Er glaubte beinahe zu sehen, daß ihr Herz
vor Verzweiflung in ihrer Brust zu zerspringen drohte.
Sie öffnete
den Mund, und er glaubte zu hören, daß sie ihn rief. Dann strömte hellrotes
Blut aus ihrem Mund, sehr viel Blut. Es lief über die Vorderseite ihres Kleids,
als habe man ihr die Kehle durchgeschnitten.
»Bria!« schrie er, sprang über
die Seile, schob und stieß die Leute beiseite, um zu ihr zu gelangen, während
bunte Raketen in die Luft stiegen und Sterne vom Himmel regneten.
Einundzwanzigstes Kapitel
Bria drehte langsam ihren Kopf auf dem Kissen und blickte auf
ihre Haare, die auf dem Bettuch lagen. Sie waren stumpf. Das leuchtende Rot war
zu einem fahlen Rostbraun verblaßt, das an altes Blut erinnerte. Und die Hand,
die mit gekrümmten Fingern neben ihrer Wange lag, hatte die Farbe gebleichter
Knochen.
Am Handgelenk bauschte sich die
schönste Spitze, die man sich vorstellen konnte, und sie spürte weiche Seide,
die ihren abgezehrten Körper liebkoste.
Emma, dachte sie, die liebe
Emma muß mir eines ihrer wunderschönen Nachthemden angezogen haben.
Bria
wünschte, sie hätte sehen können, wie sie darin aussah, aber vermutlich war es
ganz gut, daß das nicht ging. Sie war nur noch ein Bündel Knochen, das wie mit
Schnur zusammengehalten wurde. Sie war allein. Wenn sie davor aufgewacht war,
hatte sie immer jemanden im Zimmer gesehen. Bei Tag war es üblicherweise Emma,
bei Nacht Shay, manchmal auch beide zusammen. Hin und wieder spürte sie die
Mädchen mit ihren angstvollen, wissenden Augen, die ihr jedesmal das Herz
brachen. Auch ihr Bruder Donagh kam mit der grünen Stola, mit der er die
Sterbesakramente erteilte. Die würde sie bald brauchen.
Einmal
hatte Mrs. Hale ihr den kleinen Jacko gebracht, damit sie ihn sehen konnte,
denn sie war inzwischen zu schwach, um ihn zu stillen oder auch nur auf dem Arm
zu halten.
Selbst das
Atmen raubte ihr mehr Kraft, als sie besaß. Bei jedem Atemzug hatte sie das
Gefühl, ein Stein lege sich auf ihre Brust – ein Stein für jeden Atemzug, ein
schwerer, erdrückender Stein nach dem anderen.
Shay und
Emma, die Armen, die immer lächelten, tröstende Worte für sie hatten und sanfte
Berührungen, taten so, als könnten sie die Steine nicht sehen, die sich auf
ihrer Brust türmten. Doch manchmal ... ja, manchmal wurde sie wach, bevor sie
es merkten, und dann sah sie in ihren Gesichtern, wie ihnen das Herz
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