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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wagnis des Herzens
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der
Alarmsirene in der Spinnerei gewesen war und versucht hatte, die Tür zu öffnen.
Und dann war da Merry. Die kleine Merry hatte es gewußt, lange bevor die
Katastrophe geschehen war.
    Aber er würde nicht über diese
Merkwürdigkeiten nachdenken. Ein irisches Sprichwort sagte, bei Fragen, auf die
es keine Antwort gibt, handelt es sich entweder um Wunder oder um Geheimnisse.
Sowohl das eine als auch das andere kann man nur hinnehmen.
    Nachdem die
Mädchen gerettet waren, hatte Shay nur den einen Gedanken gehabt, sie nach
Hause zu bringen. Emma war mit ihnen gegangen, als gehöre sie zu ihnen. Und
dann hatte Merry nicht ihre Hand losgelassen.
    Emma hatte
ihm geholfen, den Mädchen die Angst zu nehmen und sie zu Bett zu bringen. Sie
hatte das Wasser erhitzt, damit sie baden konnten, und ihnen heiße Milch
eingeflößt. Sie hatte ihnen Flanellnachthemden angezogen und eine mit heißem
Wasser gefüllte Bierflasche ins Bett gelegt. Jetzt saß sie in der Küche im
Schaukelstuhl neben dem Herd, als gehöre sie hierher.
    Ihre weiße
Batistbluse war grau von Ruß, und fliegende Funken hatten Löcher
hineingebrannt. Ihr Unterrock sah noch schlimmer aus. Er war an einigen Stellen
zerrissen und immer noch feucht. Sie war zwar vom Hals bis hinunter zu den
Fußknöcheln bedeckt, doch Shay bezweifelte, daß vor diesem Tag jemand Miss
Tremayne schon einmal im Unterrock gesehen hatte. Ihre Hände lagen im Schoß,
und sie hielt die eine mit der anderen fest, als schmerzten sie.
    Er ging zu
ihr, kniete sich auf den Boden, griff nach ihrer Hand und drehte sie herum.
Eine dicke rote Schwellung zog sich wie ein Seil quer über die Handfläche, doch
er entdeckte keine Brandblase. In den blauen Adern ihres Handgelenks konnte er
ihr Herz schlagen sehen.
    Er blickte zu ihr auf, wußte aber nicht, was er sagen
sollte. Er hatte sich bei ihr bedankt, und das war nicht genug, doch es gab
keine anderen Worte.
    »Sie haben
sich die Hand verbrannt«, murmelte er.
    »Nur ein
wenig. Ich habe keine Handschuhe getragen«, sagte sie in ihrer Art – einer
seltsamen Mischung aus Hochmut und Übermut. Ihre Augenbrauen und die Haare über
der Stirn waren angesengt, was den Anschein gab, als reiße sie erschrocken die
Augen auf. »Da sehen Sie, wohin es führt, wann man ohne Handschuhe aus dem Haus
geht.« Er lächelte, doch das Lächeln bekam einen Sprung und wurde zu etwas
anderem. Er spürte jeden einzelnen zarten Knochen ihrer Hand. »Miss Tremayne
...«
    »Ich muß
wirklich darauf bestehen, daß Sie mich Emma nennen.« Ihre Hand zitterte ein
wenig. »Ich kann nicht Miss Tremayne sein, wenn ich im Unterrock in Ihrer Küche
sitze. Das geht einfach nicht.« Er wußte nicht, wann er ihre Hand losgelassen
hatte, er wußte nicht, wann sie sich vorgebeugt und wann er nach ihr gegriffen
hatte. Aber irgendwie befanden sich seine Hände plötzlich in ihren Haaren, und
sie glitt aus dem Sessel und kniete vor ihm, sein Mund küßte ihr Haar, und ihr
Gesicht verbarg sich an seinem Hals.
    Er faßte sie an den Schultern
und schob sie sanft von sich. Sie hob den Kopf. Ihre Augen waren zwei große
grüne Teiche. Er sah nichts darin außer sich selbst, unzählige Spiegelungen
seiner selbst.
    Irgendwie kam er auf die Füße, aber er schien kein Gefühl
mehr in den Beinen zu haben. Er wich zurück, erst einen Schritt, dann noch
einen und noch einen, bis sich seine Schultern an die Wand preßten. Sie kniete
auf dem Boden. Ihre Augen umarmten ihn. Sie umarmten die ganze Welt.
    »Als ich
hier saß«, flüsterte Emma, »dachte ich an den Tag, als wir die Füchsin mit
ihren Welpen besuchten, die keinen Vater mehr haben. Und ich dachte ...« Sie
brach ab und schluckte schwer, als schmerze ihre Kehle. »Ich dachte, ich würde
wirklich gern zu dieser Wiese zurückgehen und nachsehen, was die kleinen Füchse
machen. Ich glaube, ich werde am Sonntag nach dem Gottesdienst dort sein. Ich
habe kein Gewehr, das aus diesem und jenem zusammengebastelt ist, um auf
arme Schnepfen zu schießen. Deshalb muß ich vermutlich einen Korb mit ein paar
Sachen aus der Küche mitnehmen.«
    Er konnte
sich vorstellen, wie sie mit einem Korb voll mit glasierten Hühnchen und
Fasanenterrine zur Wiese kam. Beinahe hätte er gelächelt, doch sein Herz schlug
zu schnell, und die Brust war ihm zugeschnürt, so daß er kaum atmen konnte.
    »Und ich
habe mich gefragt ...« Sie rieb sich den Hals über dem hohen Spitzenkragen der
verbrannten Bluse, dort, wo der Puls schlug. »Werden Sie mich dort

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