Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wagnis des Herzens
Vom Netzwerk:
treffen?«
    »Nein«,
erwiderte er oder glaubte er zu erwidern. Er hatte nicht gewußt, daß sich sein
Verlangen nach ihr so leidenschaftlich anfühlen konnte. Es hatte ihn von Kopf
bis Fuß erfaßt. Tief in seinem Inneren konnte er nichts anderes tun, als ihm
nachzugeben.
    »Shay«,
sagte sie, und ihre Stimme versagte. »Sie wissen, was ich ...«
    »0 ja, ich
weiß, ich weiß.«
    »Ich
möchte, daß Sie ...« Ihre Hände lagen mit den Handflächen nach oben in ihrem
Schoß. Nun hob sie die Hände hoch und hielt sie ihm fast bittend entgegen. »Da
sehen Sie, wie lächerlich klein und armselig mein Leben ist. Ich kenne nicht
einmal die Worte für das, was ich will. All die vielen Bücher, ordentlich
getrennt nach männlichen und weiblichen Verfassern, in den ordentlichen
kleinen Regalen von Rogers Leihbibliothek, und in keinem davon finden sich die
Worte, die ich brauche, um Ihnen zu sagen, was ich möchte.«
    »Tun Sie es
nicht«, erwiderte er. »Sagen Sie es nicht.«
    Sie senkte
den Kopf. Ihr Rücken war gebeugt und angespannt, und der Nacken weiß unter den
dunklen Flut ihrer Haare. Er ballte die Hände zu Fäusten und grub die Nägel in
die Handflächen.
    Sie stand
langsam und anmutig auf und sah ihn an. Jetzt waren ihre Augen so sanft, grau
und kühl wie der Himmel im Morgengrauen. »Am Sonntag«, sagte sie. »Ich werde
auf der Wiese der Füchsin auf Sie warten.«
    »Ich werde
nie wieder dorthin gehen«, erwiderte er und fragte sich, woher er die Stärke
nehmen würde, seine Worte nicht zur Lüge werden zu lassen.

Fünfundzwanzigstes Kapitel
    Er rannte, bis ihm die Brust schmerzte. Er rannte schnell,
bis seine Füße den Staub aufwirbelten, der wie eine Decke über der Ferry Road
lag, und ihm sein Atem rauh in den Ohren klang.
    Er rannte und rannte, doch der Schmerz hielt Schritt mit
ihm, begleitete ihn mit jedem Atemzug. Der leere, heulende Schmerz. Er warf den
Kopf zurück und schrie ihren Namen in den harten, blauen, unbarmherzigen
Himmel.
    »Bria!«
    Die Straße
machte eine Biegung. Er rannte jetzt gegen den Wind, der ihm warm und trocken
ins Gesicht blies. Der Wind wehte aus Südwesten und kam im Sommer jeden
Nachmittag auf. Er roch nach dem Meer. Die alten Yankees behaupteten, dieser
Wind entfache die Leidenschaft und wecke das Verlangen.
    Verlangen
..
    Was war
das nur für eine sonderbare Sache. Man konnte entscheiden, was man nahm und was
man kaufte, was man behielt und was man weggab.
    Aber
nicht, was man wollte.
    Er befand
sich inzwischen tief im Wald. Vor drei Monaten hatten die Ahornbäume, die
Birken und Ulmen im späten Frühlingsregen noch ihre Blätter entfaltet. Jetzt
hingen sie in der feuchten Sommerhitze schlaff an den Zweigen. Noch ein Monat,
und sie würden rot und golden leuchten, und seine Frau würde immer noch tot
sein. Auch wenn sich sein Herz bei diesem Gedanken in unerträglicher Qual
zusammenzog, änderte sich an der Tatsache nichts.
    Shay wußte inzwischen, daß er
sich an diesem Tag nicht dafür entscheiden würde, der Wiese fernzubleiben. Er
lief seit einiger Zeit die Straße entlang und
redete sich dabei immer wieder ein, er renne davon.
    Jetzt aber gab es nichts mehr
zu entscheiden, nichts weiter zu tun ... als zu laufen, um sie zu treffen.
    Die Wiese
leuchtete von den Blüten der Goldrute wie eine Schale voll Sonnenschein. Emma
saß inmitten der Pracht – eine junge Frau in einem weißen plissierten
Batistkleid und mit einem gelben Strohhut auf dem Kopf, dessen blaues Band sich
in der Brise bewegte.
    Das Licht
schien von ihrem Körper auszugehen, als scheine aus ihr die Sonne. Shay sah sie
und fragte sich, wie er jemals geglaubt hatte, so fühlen zu können und sich
dabei trotzdem vorzumachen, überhaupt nichts für sie zu empfinden.
    Shay blieb
im Schatten der Bäume stehen und betrachtete sie einen langen Augenblick. Dann
trat er in den Sonnenschein und ging zu ihr.
    Sie hörte ihn, drehte den Kopf,
und ihr Gesicht strahlte noch heller. Sie sah ihn erwartungsvoll an.
    »Sie sind gekommen«, sagte sie,
und in die Erleichterung in ihrer Stimme mischte sich ein Anflug von Angst.
    Und dabei ahnte sie noch nicht
einmal, wie sehr er sie wollte. Shay war benommen und verzweifelt vor Verlangen
nach ihr.
    Er setzte
sich mit angezogenen Beinen neben sie und legte die Hände auf die Knie. Der
warme trockene Wind spielte in den dunklen Haarsträhnen, die ihr in Stirn und
Nacken fielen. Er wollte diesen hübschen kleinen Hut mit dem blauen Band
abnehmen und ihr Haar lösen. Er wollte

Weitere Kostenlose Bücher