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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wagnis des Herzens
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lassen. Doch es kostete ihn mehr Mühe, als die
ganze Sache wert war, denn er mußte ihr immer wieder sagen, was sie tun sollte,
und dann zeigen, wie sie es tun sollte. Und dabei wollte er sie die ganze Zeit
in die Arme nehmen und küssen.
    Das ruhige
Wasser der Bucht war jetzt von einem gläsernen Blau und in der Ferne von grauen
Segeln gesprenkelt. Sie fischten Dorsch zwischen den kleinen Inseln, die
verstreut zwischen Poppasquash Point und der größeren Insel Prudence Island
lagen. Als sie an einer Stelle vorüberkamen, wo die Wellen hochschlugen und die
Strömung um eine Gruppe zerklüfteter Felsen gefährlich strudelte, erzählte sie
ihm, daß ihr Bruder hier sechs Jahre zuvor in einem Sturm ertrunken war.
    »Unser Vater ist mitten im
Sturm in seinem Boot hinausgefahren, um ihn zu suchen. Es dauerte so lange, bis
Papa zurückkam, so daß ich schon dachte ...« Sie zitterte, als sei das lange
Warten immer noch in ihr lebendig. »Alles, was er von Willie zurückbrachte, war
die Mütze des Yachtclubs. Er zeigte mir später, wo er sie gefunden hatte. Sie
trieb zwischen diesen Felsen, zusammen mit zersplittertem Holz – mehr war von
Willies Boot nicht übriggeblieben.«
    »Und hat dir das keine Angst vor dem Segeln gemacht?«
    »Gewiß, ich hatte Angst.« Sie
kniff die Augen zusammen. »Allerdings Angst vor anderen Dingen.«
    Als die
Sonne hoch und golden am Himmel stand und das Wasser wie eine Stahlplatte
glänzte, warf er den Anker, holte seine Sandwiches mit Corned Beef hervor und
teilte sie mit ihr.
    »An den
meisten Tagen ist Narrangasett eine nette kleine Bucht«, sagte er, »und nicht
zu vergleichen mit der wilden Brandung von Gortadoo.«
    Sie saß
dicht genug bei ihm, um ihn berühren zu können, allerdings ohne es zu tun. Der
Schlapphut verbarg einen großen Teil ihres Gesichts. Doch er betonte ihren
Hals, der darunter unglaublich lang wirkte. Und Shay dachte immer wieder, wie
gerne er mit den Lippen vom Hals bis zu der Stelle hinter ihrem Ohr über den
langen weißen Bogen ihres Nackens gleiten würde.
    »Erzähl mir von deinem Irland«, sagte sie.
    Er öffnete den Mund zu einer
Antwort, und seine Stimme klang rauh und brüchig. »Mein Irland? Gibt es
mehr als eins?«
    »Bria hat mir von ihrem
erzählt. Jetzt möchte ich etwas über dein Irland wissen.«
    »Mein
Irland ... nun ja, es ist ein Dornbusch, der nackt und einsam auf einem
schwarzen Felshügel steht. Es ist eine Frau, die über ein schlammiges Feld
geht, den Kopf hebt und die Rauchwolke sieht, die vom gelben Strohdach meiner Shibeen aufsteigt. Es sind Fuchsien-hecken, die im Sommer blutrot über eine Mauer
fallen, und gestochene Torfstücke, die in der Sonne trocknen.«
    Sie wandte den Kopf und sah ihn
an. Überrascht stellte er fest, daß ihr die Tränen in die Augen traten. »So wie
du das sagst, klingt es, als sei Irland wunderschön.«
    »Hat Bria nicht ebenfalls so darüber gesprochen?«
    »Nein. Obwohl sie Irland immer
noch sehr geliebt hat, sprach aus ihren Erinnerungen mehr unvergeßliches Leid.«
    »Das kann
ich verstehen.« Er starrte ausdruckslos vor sich hin. Damit bestätigte
er die Wahrheit ihrer Worte und akzeptierte den Schmerz, den sie ihm
bereiteten.
    Es war ihm
ein bittersüßer Trost, daß sie so offen über Bria sprechen konnten. Aber
schließlich war die Liebe zu Bria das einzig Wirkliche, das sie über ihre
Körper hinaus miteinander teilten. Auf eine Weise, die er erst jetzt erkannte,
hatten sie in den letzten Lebenswochen seiner Frau ein Dreieck gebildet – er,
Emma und Bria. Bria war die Basis gewesen, die sie zusammenhielt. Doch jetzt
war Bria von ihnen gegangen, und sie mußten sich gegenseitig weiterhelfen.
    Im
Augenblick.
    »Als ich
ein Junge in Gortadoo war«, sagte er in das sanfte Schweigen, das sich zwischen
ihnen ausgebreitet hatte, »sind wir in die Wellen getaucht, die sich am
Sandstrand brachen. Am Abend sind wir auf die Felsen geklettert und haben
zugesehen, wie die Sonne unterging. Weißt du, es gibt eine Legende, nach der
hinter der Sonne im Westen ein Land liegt, das Tír na nÓg genannt wird, ein Ort
ewiger Jugend. Aber kein Ire hat sich je aufgemacht, um es zu suchen. Wir Iren
träumen gern davon, Irland zu verlassen, aber in Wirklichkeit wollen wir das
nicht. Und wenn wir es verlassen müssen, sind wir verloren.«
    Sie hatte
sich soweit umgedreht, daß sie sich ansahen. Sie hob die Hand und berührte sein
Gesicht mit den Fingern. Sie zeichnete die Form seiner Nase und seiner
Wangenknochen nach,

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