Penelope Williamson
seinem Arm
einen Bogen. »Und ist es hier so großartig? Glaubst du vielleicht, weil der
Reiche im Sommer Eis bekommt und der Arme im Winter, seien beide gleich?« Er
lachte, und es klang wie ein dunkles rauhes Grollen. »Glaubst du, hier in
deinem Amerika und vor Gott sind wir alle gleich?«
Bria spürte, wie ihr Zorn
verebbte und eine schreckliche Müdigkeit sie erfaßte. Es war ihr weder mit
guten noch mit bösen Worten jemals gelungen, ihn von einem seiner grandiosen
und wunderbaren Pläne abzubringen. Sie wußte nur, daß er sie liebte, und sie
wußte auch, daß er sie niemals genug lieben würde.
Ihr
Bruder, der Priester, schob den Stuhl zurück und stand langsam auf. Er trat zu
Shay und legte ihm schwer die Hand auf die Schulter. »Er ist auch dein Gott,
Seamus.«
Shay sah
ihn herausfordernd an. Er nahm nichts zurück ... nichts. Shay hatte als einziger
von den fünf Söhnen die Geburt überlebt, und deshalb hatte seine Mutter sein
Leben Gott geweiht. Von den beiden Freunden war ihr Bruder in den Jugendjahren
stets der Unbändige gewesen und hatte auch später noch allerhand Unfug
getrieben – er trank und stieg hinter Mädchen her. Shay dagegen war immer ein
ernster und entschlossener Junge gewesen, der mit leidenschaftlichem
Fanatismus seinen Glauben verteidigte. Er lernte beim Dorfpriester bereits
Latein, als die anderen Jungen im Clachan noch nicht einmal ihren Namen
schreiben konnten.
Aber dann
hatte Seamus McKenna das Leben kennengelernt. An einem stürmischen Tag auf dem
felsigen Strand war er ihr begegnet. Und die Konstabler mit ihren
Gewehren und dem Strick waren gekommen.
Und als
wolle Gott nicht zulassen, daß er übergangen wurde, hatte er statt dessen
Donagh in seinen Dienst berufen. Oder war es so gewesen, dachte Bria oft, daß
ihr Bruder Gottes Aufmerksamkeit nicht hatte auf sich lenken können, so lange
Shay sich auf das Priesteramt vorbereitete? Donagh hatte seine Bestimmung erst
erkennen können, als Shay ihm nicht mehr im Weg stand.
Donagh
seufzte und schüttelte seinen Freund unsanft, bevor er seine Schulter wieder
losließ. Er ging zur Tür und nahm den schwarzen Priesterhut vom Haken. Dann blieb
er stehen und drehte den Hut bedächtig in den Händen, bevor er sich noch einmal
nach seiner Schwester umwandte. Seine Wangen waren gerötet, und sein Mund
verzog sich reumütig. Er wagte nicht, ihr in die Augen zu sehen.
Gefühle,
die sie nicht einmal selbst hätte in Worte fassen können, ließen Brias Stimme
zittern. »War es nicht ein Wunder, Vater, daß dieser Zeitungsmann davon
erfahren hat, daß unser Seamus einmal irischer Champion im Faustkampf war? Oder
hast du es ihm vielleicht zugeflüstert? Hast du ihm gesagt, daß Shay McKenna
ein einmal gegebenes Versprechen weder
seinetwegen noch wegen seiner Frau und seinen kleinen Kindern brechen werde?
Aber für Irland und für den Clan ... o ja, für Irland würde dieser Mann sogar
seine Seele verkaufen.«
»Bria, bitte ...« Donagh seufzte tief, schüttelte den
Kopf und starrte auf den Hut in seinen Händen. »Ich glaube, ich sollte mich auf
den Weg ins Pfarrhaus machen, sonst wird Mrs. Daly noch die Geduld verlieren
und mir zum Abendessen meine Pantoffeln vorsetzen.«
Er setzte
den Hut auf und kam zu ihr, küßte sie auf die Stirn und umarmte sie kurz. »Dhia
is maire dhuit«, sagte er.
Sie legte die Arme um ihn und
legte ihren Kopf an seine Brust. Der Wollstoff seiner Soutane war rauh. Er roch
nach Weihrauch und auch etwas nach Whisky.
Gott und
die heilige Jungfrau Maria mögen dich beschützen, Donagh ...
Sie
begleitete ihren Bruder zur Tür. Dort blieb er stehen und segnete sie mit dem
Weihwasser aus dem kleinen Gefäß an der Wand. Auf der Straße war aus dem Tanzen
inzwischen ein richtiges irisches Fest geworden. Krüge mit Poitín wanderten
von Hand zu Hand. Sie sah ihm nach, wie er sich einen Weg durch die Menschen
bahnte und hin und wieder stehenblieb, um die Leute zu ermahnen und zu segnen.
Doch Bria vermutete, daß er in der Predigt am nächsten Morgen nicht über den
Teufel und das Teufelsgebräu sprechen würde, denn er hatte an diesem Abend
selbst davon getrunken.
Sie hörte
nicht, wie Shay hinter sie trat, aber sie spürte ihn. Selbst wenn sie blind
gewesen wäre, so hätte sie ihn unter Millionen Menschen erkannt.
Er umschlang sie mit beiden
Armen und legte die Hände auf ihren gewölbten Leib. Die Brüste waren in
Erwartung des Babys bereits groß und schwer geworden und schmerzten.
»Ich bitte dich, nicht
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