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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wagnis des Herzens
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wie
Engelsgesang.
    Er küßte
sie an diesem Tag nicht, aber er tanzte mit ihr. Er kam einfach zu ihr, griff
nach ihrer Hand und führte sie in den Kreis, der sich auf der Straße bildete.
Sie hätte sich jederzeit von ihm losreißen können, aber das tat sie nicht. Sie
spürte, daß sie bei ihm nur bis zu einem bestimmten Punkt gehen durfte. Er
bestimmte, wie oft sie mit ihm tanzen und wie viele Chancen sie bei ihm haben
würde.
    Bria
erinnerte sich daran, daß er kein einziges Wort sagte, und auch sie schwieg.
Aber sie sah ihn an und bewunderte die starken Sehnen an seinem Hals, die wie
Seile wirkten, wenn er den Kopf drehte. Und seine Unterlippe schien noch voller
zu werden, wenn er lächeln wollte. Sie bemerkte, wie er die Augen leicht
zusammenkniff, als sei er es gewohnt, in die Ferne zu blicken, auf einen Punkt,
den andere nicht sehen konnten.
    Und sie
dachte: Ich will ihn haben.
    Nein, ganz
so war es nicht gewesen. Damals war es ihr nicht bewußt, daß sie ihn haben wollte. Sie empfand nur ein Sehnen,
eine Enge in der Brust und eine seltsame Atemlosigkeit und eine Panik, die wie
ein stummer Schrei war. Wenn sie nicht auf der Stelle mit ihm zusammensein
konnte und jede Minute bis in alle Ewigkeit, dann würde sie sterben.
    Shays Vater
hatte nie regelmäßig gearbeitet, denn er war schon in jungen Jahren dem Alkohol
verfallen. Er verbrachte seine Zeit in den Pubs. Das Three Hens wurde zu
seinem zweiten Zuhause. Dort hatte er seinen Stammplatz. Dort trainierte er
seinen Arm, indem er Whiskygläser hob und Ale trank, und übte seine Zunge,
indem er Pläne für einen Aufstand schmiedete. Shay und seine Mutter mußten die
kümmerlichen Kartoffeläcker der Familie bearbeiten und die Gerstenfelder des
Pachtherrn. Wenn Zeit blieb, fuhr Shay mit dem Curragh hinaus, um
entlang der felsigen Küste Kabeljau zu fangen.
    Bria
wartete am nächsten Nachmittag auf ihn am Strand, als er das Boot an Land
schob. Es war einer der seltenen schönen Tage mit klarem blauen Himmel und
einem warmen angenehmen Wind. Sie lief ins Wasser und fing die Leine, die er
ihr zuwarf. Dann half sie ihm, das Boot an der Boje zu vertäuen und das Segel
zusammenzurollen. Erst als das geschehen war, sah er sie an.
    »Was tust
du hier?« fragte er.
    Sie hob
den Kopf und kniff wegen des grellen Sonnenlichts, das sich auf dem Wasser
spiegelt, die Augen zusammen. Seine ungewöhnliche Schönheit – das markante
Gesicht, der starke Körper und die tiefe Stimme – ließ sie beinahe erschauern.
Er stand barfuß und breitbeinig an Deck. Der Wind vom Meer zerzauste seine
Haare. Der lederbespannte Rumpf des Curraghs knirschte, und über ihren
Köpfen stieß eine Möwe einen schrillen Schrei aus, als wollte sie Bria
verhöhnen.
    »Ich habe
auf dich gewartet«, antwortete sie.
    Sie half
ihm, die Netze zum Trocknen am Strand auszubreiten und den Fang auf die Steine
zu legen, damit die Sonne die Fische haltbar machen würde. Dabei stand sie
einmal plötzlich so nahe neben ihm, daß der Wind ihre Haare erfaßte und sie
seinen Mund berührten. Er roch leicht nach Fisch, aber vor allem nach Meer.
    Manchmal konnte Bria sich an jedes Wort erinnern, das sie
damals und an den folgenden Tagen gesprochen hatten, manchmal nur an ihre
Gefühle. Die Luft um sie herum schien sich bei jedem Blick, bei jeder Berührung
oder auch nur einem Seufzen zu entzünden. »Warum möchtest du Priester werden?«
fragte sie.
    Er sah sie
an. Etwas so leidenschaftlich Mutiges ging von ihm aus, wie er barfuß und in
der zerschlissenen Hose inmitten des Netzes voller Fische vor ihr stand. Er
hatte Tintenflecke an den Fingern und – weil er stundenlang auf dem
Steinfußboden der Kirche kniete und betete – an den Knien Schwielen, die einer
Küchenmagd alle Ehre gemacht hätten.
    »Ich möchte etwas mit meinem
Leben anfangen«, erwiderte er. »Ich möchte ...« Er zuckte die Schultern und
errötete. »Ich möchte etwas Gutes tun.«
    Sie mußte oft an diese Worte,
die er an jenem Tag mit seiner Engelsstimme zu ihr gesagt hatte, denken und an
seinen Mund, den sie unbedingt küssen wollte.
    ... etwas
Gutes tun.
    »Ich
glaube, du wirst einmal ein guter Priester sein«, sagte sie und zwang sich zu
lächeln. Dabei mußte sie sich beherrschen, um nicht mit dem Finger seine
Unterlippe zu berühren ... dort, wo sie am vollsten war. »Du wirst ein
großartiger Priester sein ...«
    Sie half
ihm an vielen folgenden Nachmittagen mit den Netzen und dem gefangenen Fisch,
bis er sie schließlich küßte. Dabei

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