Penelope Williamson
berührte er nur zart mit seinen Lippen ihre
Wange, als vertraue er ihr flüsternd ein Geheimnis an. Bria erinnerte sich
daran, daß sie danach zum Himmel und zu den milchweißen Wolken hinaufgeblickt
und den Eindruck gehabt hatte, daß sie beobachtet wurden.
Bevor sie
sich trennten, gingen sie manchmal zusammen am Strand entlang. Sie kletterten
auf die Klippen und erkundeten die Bucht. Eines Abends, als die untergehende
Sonne den Himmel mit glühenden Farben überzog und die Wellen silbern
schimmerten, entdeckten sie eine Höhle.
Dort in der sanften tiefen
Dunkelheit wurden seine Küsse länger, kühner und leidenschaftlicher. Eines
Tages löste sich sein Mund von ihren Lippen
und wanderte tiefer. Er küßte und liebkoste ihren Hals. An einem anderen Tag
löste er ihr Tuch und öffnete den Kragen ihres Kleides. Langsam glitten seine
Lippen über ihre warme Haut. Und dann öffnete er ihr Mieder. Seine Lippen und
die Zunge erkundeten ihre Brüste und das sanfte Tal, das zwischen ihnen lag.
Bria erinnerte sich daran, daß sie gehört hatte, wie die Wellen an die Felsen
unter ihnen schlugen, während sich ihre Finger in sein von der Sonne gewärmtes
Haar gruben und sie ihn festhielt ... ganz fest.
»Bria«,
sagte er mit seiner schönen Engelsstimme, mehr nicht, nur ihren Namen. Es war
eine der vielen Entdeckungen, die sie in jenem Sommer machte, daß ein Junge,
ein Mann, seine Gefühle am deutlichsten durch die Art verrät, wie er den Namen
seiner Geliebten ausspricht. Sie erinnerte sich auch daran, wie sie sich in
jenem Sommer selbst entdeckte – die vielen zarten, wunderbaren und weichen
Stellen ihres Körpers und die dunklen, hungrigen, besitzergreifenden Seiten
ihres Herzens.
Denn
natürlich kam unausweichlich der Tag, an dem er versuchte, sich von ihr
abzuwenden, und sie besaß nicht den Mut oder die Güte, ihn gehenzulassen. Als
er sich von ihr gerollt hatte und auf den Rücken fiel, legte er den Arm über
die Augen, und als er dann: »Dhia!« sagte, klang es mehr wie ein Fluch
als ein Gebet. »Wir dürfen so nicht weitermachen ... Gott rette mich. Ich will
Priester werden.«
Die Höhle
roch nach dem Meer und auch nach der warmen lehmigen Erde. Sie hatte sich in
der Höhle immer geborgen gefühlt und sicher vor den Augen des Himmels. Dort
konnte sie sich an ihn und um sein Herz schmiegen. Sie lag mit glühendem Körper
in der Dunkelheit und sehnte sich nach ihm, war gierig und hungrig. So hungrig
nach seinen Küssen, daß sie zu allem entschlossen war. Sie lauschte auf seinen
Atem und die gurgelnden Wellen, die das felsige Ufer umtosten. Er hatte ihr
die Röcke bis zur Hüfte hochgeschoben. Sie lag da und roch das Meer, die Erde
und ihn.
Ihr war
nicht bewußt, daß sie weinte. Erst als sie sich auf ihn legte, und ihre nackten
Brüste seinen nackten Oberkörper berührten, spürte sie die Tränen, die auf ihre
Handrücken fielen, während sie seine Wangen umfaßte
und ihren Mund fest auf seine Lippen preßte. »Nein, nicht, Bria ...«, stöhnte
er in ihren offenen Mund. »Nicht, nicht ...«
Aber sie küßte ihn trotzdem und
mit ganzer Leidenschaft. Auch da gehörte er ihr noch nicht ganz, noch nicht.
Erst in der Nacht des Sturms gehörte er ihr endgültig.
Doch vor
dem Sturm kam der Gutsverwalter mit den Konstablern. Er erschien, weil aus der
Gerste der McKennas, die für den englischen Grundbesitzer bestimmt war, illegal Poitín gebraut worden war.
Mrs.
McKenna kniete in dem leeren Hof und sah zu, wie die Männer ihre gesamte
kärgliche Habe mitnahmen: einen Hocker, die mit Stroh gefüllte Matratze, einen
alten Eisentopf. Die Konstabler hatten gerade mit einer Fackel das Dach in
Brand gesetzt, als Mr. McKenna angerannt kam. Auch er war feurig, und zwar vom
Alkohol, den er am Nachmittag in The Three Hens getrunken hatte. Er
versuchte, den Gutsverwalter mit einem Shillelagh anzugreifen. Doch die
Konstabler schossen ihm in den Bauch, bevor er mit dem Knüppel in der Hand
auch nur zwei Schritte getan hatte. Sein Blut bildete schnell eine rote Lache,
die von den Röcken seiner Frau aufgesogen wurde, die noch immer auf der Erde
kniete.
In den
Feldern hoch oben auf den Klippen war ein heidnischer Platz, wo uralte Steine
mit eingemeißelten Gesichtern standen. Die leeren Augen und die runden offenen
Münder der Gesichter hatten auf Bria immer den Eindruck gemacht, es seien
Wesen, denen man die Seele geraubt hatte. Ein solcher Ausdruck lag auf Shays
Gesicht, als die zwei in Leinen eingenähten Leichen in den
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