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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wagnis des Herzens
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steinigen irischen
Boden gelegt wurden, wo man die beiden Gräber ausgehoben hatte. Es gab kein
Holz, um Särge zu zimmern, und kein Geld, um sie zu kaufen. Und man hatte zwei
Gräber schaufeln müssen, denn am Abend zuvor war seine Mutter ins Meer
gegangen, und am Morgen hatten die Wellen sie wieder an den Strand
zurückgebracht.
    Wenn Bria wollte, dann konnte
sie noch jetzt, nach all den vielen Jahren, tief in seinen Augen, wo früher der
Glaube an Gott lebendig gewesen war, die Leere sehen.
    Er war nach
dem Begräbnis im Boot auf das Meer hinausgefahren, obwohl am Himmel schwarze Wolken hingen und die Wellen
Schaumkronen trugen. Sie hatte am Strand auf ihn gewartet, während der Sturm
sie heulend umtoste und der Himmel alle Schleusen öffnete. Sie fürchtete so
sehr, ihn zu verlieren, daß sie nicht mehr klar denken konnte.
    Er kam auf
einer weißen Welle durch die aufgewühlte See zu ihr zurück. Er schien plötzlich
einfach dazusein und zog sie mit sich in den nassen Sand. Die donnernde
Brandung umtoste sie, riß an ihren Kleidern ... seine Hände rissen an ihren
Kleidern. Sein Gesicht hing über ihr, seine Augen waren so aufgewühlt und
entfesselt wie die Wellen, die über ihnen zusammenschlugen.
    Er stieß zitternd einen rauhen
Schrei aus. »Halt mich fest, Bria!« stöhnte er. Er sank auf sie hinunter, und
seine Lippen schienen sie zu verschlingen. Der Atem des Meeres ging rauh und
keuchend. »Halt mich fest! Bitte halt mich fest ...«
    Ihre Hände
und ihr Mund glitten über seinen Körper, erkundeten seine Formen und seinen
Geschmack. Sie schlang die Arme um seinen Rücken. Ihre Fingernägel gruben sich
in seine nasse Fischerjacke. Sie preßte ihn an sich. Aber sie wußte, was er
wirklich begehrte. »Still, still, still«, flüsterte sie, während ihr der Regen
über das Gesicht lief und in den offenen Mund tropfte. »Ich halte dich fest,
Geliebter. Ich lasse dich nie mehr los ...«
    »... nie mehr!«
    Bria war nicht bewußt, daß sie
laut gesprochen hatte. Erst als das stille, schwarze und leere Wasser im Hafen
von Bristol das Echo der Worte zurückwarf, kehrte sie in die Gegenwart zurück.
    Die
Sehnsucht nach ihm, ihrem Mann, drohte sie zu ersticken, obwohl sie gleich
aufstehen und zu ihm gehen würde. Sie würde sich an ihn schmiegen und den Kopf
auf seine Brust legen. So konnte sie einschlafen und sein Herz schlagen hören.
Genauso hatte sie es in der Nacht des Sturms vor elf Jahren getan. In jener
Nacht hatte sie ihm ihre Jungfräulichkeit geschenkt und ihm seine Unschuld
genommen. Wie merkwürdig, dachte sie, daß sich die Erinnerungen so schwer wie
Steine auf dem Herzen türmen können, und trotzdem so warm, vertraut und tröstend sind. Sie würde ihre Erinnerungen
immer wieder neu gestalten, ohne eine einzige auszulassen.
    Sie stand
mühsam und schwerfällig auf. Das Kind in dem runden Leib versetzte ihr einen
Tritt. Es war ein harter Tritt, voller Kraft und Leben. Sie rieb sich den
gespannten und dicken Bauch. Die rauhen Schwielen an ihren Händen blieben an
dem dünnen billigen Musselin des Nachthemds hängen, aber sie achtete nicht
darauf. Sie hatte noch nie die Hände einer Dame gehabt.
    Bria
zweifelte nicht daran, daß das Baby ein Junge sein würde, denn sie trug ihn
hoch. Sie hatte den Hochzeitsring an einem Baumwollfaden über den Bauch
gehalten, und der Ring war linksherum gekreist. Außerdem, dachte sie mit einem
wehmütigen Lächeln, hatte Merry gesummt, und Noreen hatte ihr übersetzt, daß
die Feen ihrer Tochter einen kleinen Bruder prophezeit hatten.
    Einen Sohn für Shay. Das war
ihr Geschenk für ihn, ein schönes Geschenk, wenn er nur nicht die wahre
Geschichte erfuhr. Für sie, das wußte Bria, war dieses letzte Kind eine Strafe
Gottes. Sie wußte nur nicht genau, für welche Sünde.
    Es war
möglich, auch das wußte sie, die Sünde und die Frucht der Sünde zu lieben. Sie
liebte das Kind schon jetzt so hingebungsvoll und innig wie sie Shay und ihre
beiden Töchter liebte. Heute war der erste Mai, zum Ende des nächsten Monats
würde ihr Sohn zur Welt kommen. Sie würde ihn in den Armen halten und wiegen
und dabei das süße Ziehen seines kleinen Mundes an ihren Brüsten spüren. Aber die
Tage würden vergehen, und er würde sich verändern, so wie Ebbe und Flut den
Strand veränderten. Im nächsten Sommer würde er bereits im Sand sitzen und mit
seinen Schwestern Sandburgen bauen. Er würde gelernt haben, seinen Brei selbst
zu essen, obwohl das meiste dabei vermutlich in seinen

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