Penelope Williamson
von Waffen benutzen konnte, ohne verhaftet
zu werden, weil er unerlaubt fremdes Besitztum betrat. Und der gemeinsame Gang
durch den Wald zur Lichtung? Das war nur eine Laune gewesen – das hatte er
selbst gesagt. Er hatte die Gelegenheit benutzt, einer reichen jungen Frau eine
Lektion zu erteilen. Sie sollte erfahren, daß auch Füchse eine Familie haben.
Ein Kind
... ein verwöhntes reiches Kind. Das sah er in ihr und dafür hielt er sie, wenn
er überhaupt einen Gedanken an sie verschwendete.
Und was hatte sie von ihm
erwartet? Das konnte sie nicht einmal in Gedanken und noch viel weniger in
Worte fassen, um es wirklich zu machen.
Wirklich war nur das, was sie in jener Nacht in seinem Gesicht gesehen hatte,
als er an ihr vorbei die Treppe hinunterging und seine Frau in den Armen hielt.
Emma hatte
den Blick eines Mannes gesehen, der erleben muß, wie seine Frau vor seinen
Augen langsam, Atemzug um Atemzug starb.
Emma stand
zwischen den Margeriten und Astern. Der große Kater strich ihr um die Beine.
»Vielen Dank, daß Sie mich in
Ihr Haus gebeten haben«, sagte sie zu Bria McKenna.
Aber als sie zum Abschied die
Hand ausstreckte, ergriff die andere Frau sie nicht.
»Diese Sachen in Ihrer Kutsche«, sagte Bria zögernd. »Ich
weiß, sie waren für uns bestimmt. Sie wollten uns damit beschenken.« Emma ließ
die Hand sinken und errötete. »Ich wollte Sie wirklich nicht beleidigen. Ich
dachte nur ...« Ihre Mundwinkel zuckten. »Vermutlich habe ich nichts gedacht.«
Bria musterte sie so
eindringlich, daß Emma am liebsten ihrem Blick ausgewichen wäre. »Verstehen
Sie, ich freue mich über die Freundlichkeit, die Sie damit zum Ausdruck
bringen«, sagte Bria.
»Sie müssen
nichts erklären ...«, wehrte Emma ab und errötete noch mehr.
»Ich denke an Shay. Der
Gedanke, ich hätte nicht das Vertrauen, daß er für mich und die Mädchen sorgen
kann, würde ihn tief verletzen.«
»Natürlich ... ich meine, ich
verstehe Sie.«
»Aber ich
möchte nicht, daß Sie glauben, es geht nur um meinen und seinen Stolz. Er sorgt für die Familie. Es ist nur, daß Shay und Geld nicht so ohne weiteres
harmonieren. Er achtet natürlich darauf, daß ich und die Mädchen alles haben,
wenn er Geld bekommt, aber er gibt immer einen großen Teil weg. Er spendet es
für wohltätige Zwecke, gibt es der Kirche, Waisenkindern und Witwen, praktisch
jedem, der es nötiger braucht als wir. Und dann spendet er natürlich für die
patriotische Sache. Er ist eben ein echter Ire und kann nicht glücklich sein,
wenn er nicht auf die eine oder andere Art den Kampf gegen die Engländer
unterstützt ...« Sie hielt inne und schöpfte Atem. »Ich möchte nicht, daß Sie
schlecht von meinem Shay denken.«
Als sie
seinen Namen aussprach, wurde ihr Mund weich, und ihr Gesicht leuchtete, als
habe jemand plötzlich tausend Kerzen hinter ihren Augen entzündet.
Sie liebt
ihn, dachte Emma. Sie liebt ihn wirklich.
Emma
begriff nicht, weshalb sie das so erschreckte. Hatte sie geglaubt, daß eine
Frau, die in einer Spinnerei arbeitete und in einer Holzhütte lebte, nichts von
wahrer Liebe wußte?
Die Hütte
stand an der Uferseite der Thames Street. Hinter dem Haus begann der Strand.
Die Bucht lag still und glänzend wie eine Silberplatte in der Mittagsonne. Emma
betrachtete das Wasser, aber dann richtete sie den Blick wieder auf Bria.
»Mrs. McKenna ... wäre es
aufdringlich, wenn ich Sie noch einmal besuchen würde?«
Sie sah
die Überraschung im Gesicht der Frau und eine gewisse Vorsicht.
»Sie sind jederzeit willkommen«,
erwiderte Bria nach kurzem Schweigen, obwohl sie den Gedanken nicht aussprach: Aber
warum sollten Sie mich besuchen wollen?
»Ich werde wiederkommen«, sagte Emma und lächelte
ungezwungen und ohne Schüchternheit. »Ich werde Sie bestimmt besuchen.« Und das
tat sie auch. Sie wartete jedoch nicht eine Woche, wie es den Regeln des
Anstands entsprochen hätte. Sie kam bereits am nächsten Tag.
Diesmal kniete Bria am Fuß der
Stufen auf der Erde und stieß einen kleinen Spaten in den Boden. Bria hatte die
Margeriten und Astern ausgegraben und pflanzte Veilchen.
Sie legte den Kopf zurück und
kniff in der hellen Sonne die Augen zusammen, als Emma den schmalen Weg
entlangkam.
»Ich habe
jetzt Zeit, mich um die Blumen zu kümmern«, sagte sie und schien überhaupt
nicht erstaunt darüber, daß Miss Tremayne ihr so bald einen weiteren Besuch
abstattete. Sie schien sich sogar zu freuen. »Ich arbeite nicht mehr in der
Spinnerei,
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