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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wagnis des Herzens
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ihrer schwarz lackierten
Kutsche. Sie trug für ihren Vormittagsbesuch ein französisches Ausgehkleid aus
taubenblauem moirierten Taft. Belgische Spitze schmückte den Ausschnitt, und
ein breites weißes Satinband betonte die schlanke Taille. Auch die
Hirschlederhandschuhe zum Kutschieren, der Sonnenschirm aus Taft und Spitze
und ein Resedastrohhut mit Satinrosen und Straußenfedern waren passend für den
Anlaß. Doch Emma fühlte sich schrecklich unwohl und völlig fehl am Platz. Sie
kam nicht oft an dieses Ende der Thames Street. Sie konnte sich nicht daran
erinnern, jemals an den armseligen Hütten und Häusern vorbeigefahren zu sein,
und jetzt hielt sie sogar neben dem verwitterten Gehweg aus Holzplanken
inmitten dampfender Pferdeäpfel vor einem windschiefen Laternenpfahl.
    Zu dieser
Tageszeit waren nicht viele Leute unterwegs, denn es war ein Arbeiterviertel.
Nur ein Fischer saß vor seiner Hütte und reparierte eine Hummerreuse, und ein
Lumpensammler kam mit seinem Karren vom Abfallhaufen zurück. Beiden Männern
blieb bei Emmas Anblick vor Staunen der Mund offenstehen.
    Die
vornehme Dame der guten Gesellschaft von Bristol war bestens zu sehen, denn sie
hatte das Verdeck ihrer Kutsche zurückgeklappt, da sonst in dem Wagen nicht
genug Platz für alles gewesen wäre, was sie mitgebracht hatte. Auf dem Sitz
neben ihr stand ein mit weißer Baumwolle ausgekleideter Picknickkorb mit
ausgewählten Sandwiches, zartem Filet, Schildkrötenpastete und getrüffeltem
Truthahn. Auf dem Rücksitz stapelten sich Teppichtaschen und gestreifte Kartons
mit nie getragenen Kleidern. Auf dem Boden neben ihren Füßen stand ein Koffer
mit Puppen und Spielzeug. Sie hatte die Sachen auf dem
Speicher entdeckt, konnte sich jedoch nicht daran erinnern, je mit diesen
Dingen gespielt zu haben.
    Die
Kutsche war so vollgeladen, daß sie aufstehen mußte, um das Haus, dem ihr
Besuch galt, besser in Augenschein nehmen zu können. Es war ein Bretterhütte
auf Pfählen am Ende des steinigen Strandes.
    Emma stieg
aus der Kutsche und ging auf das Haus zu. Der Weg war nicht mehr als ein
ausgetretener Pfad, der durch ein Beet mit Astern und Margeriten führte. Mit
jedem Schritt verließ sie mehr und mehr der Mut. So etwas hatte sie noch nie
getan. Sie hatte sich noch nie um jemanden bemüht. Bisher hatten sich alle
immer um sie gekümmert.
    Die Haustür
ging auf, und Bria McKenna trat auf die Stufen. Sie trocknete sich die Hände an
der Schürze ab. Ihr Blick richtete sich nach kurzem Zögern von Emma auf die mit
Picknickkorb, Schachteln und Koffer beladene Kutsche. Ihre Augen begannen
zornig zu funkeln, und Emma wußte sofort, daß sie einen Fehler gemacht hatte.
    »Guten
Morgen!« rief sie mit belegter Stimme, als sei sie atemlos. »Ich bin ...« Sie
deutete auf das voll beladene Gefährt. »Ich bin unterwegs, um ein paar Spenden
zur Kirche zu bringen. Da ich in Ihrer Nähe bin, wollte ich zuerst kurz
vorbeikommen, um zu sehen, wie es Ihnen geht.«
    Bria
errötete langsam. Sie nickte steif und trat neben die einfache Haustür aus
Eichenplanken. »Kommen Sie herein, Miss Tremayne. Ich wollte gerade Wasser für
den Tee aufsetzen.«
    Emma hob
die Röcke und stieg die steilen Stufen hinauf. Ihre Beine zitterten so sehr,
daß sie beinahe gestolpert wäre. In der Küche roch es wundervoll nach frisch
gebackenem Brot und Butterblumen, die in einer leeren Tomatendose mitten auf
dem Tisch standen. Die bunt geblümte Tapete war verblaßt und hatte
Wasserränder, aber ihre orangeroten und blauen Blumen verliehen dem Raum etwas
Fröhliches. Der brüchige Linoleumboden war einmal dunkelbraun gewesen,
inzwischen jedoch vom Schrubben beinahe völlig ausgebleicht. In einer Ecke lag
ein kleiner gehäkelter Teppich.
    Emma blieb mitten in der Küche
stehen, denn sie wußte nicht, was sie tun sollte.
    »Sie haben
Glück, daß ich zu Hause bin«, sagte Bria und stellte einen zerbeulten
Kupferkessel auf den Herd. »Eigentlich soll ich mich um den Haushalt meines
Bruders im Pfarrhaus kümmern. Er ist der Priester der Gemeinde von St. Mary. Aber
ich weiß nicht, warum er mich angestellt hat, denn er läßt mich überhaupt
nichts tun. Ich bin inzwischen mehr in meiner Küche als in seiner.«
    Sie drehte
sich lächelnd um. »Aber setzen Sie sich doch und ... oh, verschwinde, du fauler
Kater!« Sie hob drohend die Hände und näherte sich einem der Stühle mit
Strohsitzen, auf dem ein riesiger struppiger graubrauner Kater lag. »Du gehst
jetzt raus, Gorgeous. Fang Mäuse!

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