Pension der Sehnsucht
Samtbezug eines Sessels. »Jeder Mensch hat ein Recht auf Angst«, sagte sie leise.
»Das stimmt.«
Offenbar hätte er am liebsten gelacht. Sie wirbelte herum, um ihn abzukanzeln, doch sein Schmunzeln entwaffnete sie. »Dir wird das Lachen schon vergehen, wenn ich gleich als stöhnendes Häufchen Elend auf deinem kostbaren Teppich liege«, behauptete sie.
»Dann werde ich bestimmt ganz ernst.« Er kam auf sie zu, und sie verkrampfte sich unwillkürlich. »Nelly, wollen wir nicht Frieden schließen? Wenigstens für die Dauer unserer Reise?«
»Na ja, ich …« Seine Stimme klang so sanft und einschmeichelnd, dass sie eingehend die Knöpfe seines Hemdes betrachtete, um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen.
»Was hältst du von einem Waffenstillstand?« schlug er vor. Er nahm ihr Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger und zwang sie, ihn anzuschauen. »Wenn wir zurückkommen, können wir uns ja weiterstreiten.« Er lächelte, und ihr innerer Widerstand schmolz.
»In Ordnung, Percy, ich bin einverstanden.« Gegen ihren Willen erwiderte sie sein Lächeln.
»Dann setz dich jetzt in einen Sessel und schnall dich an.« Er küsste sie auf die Stirn, und ihr versagten wieder einmal die Knie.
Nellys Angst hielt sich während des Starts in Grenzen, weil Percy sich unablässig mit ihr unterhielt. Zum ersten Mal in ihrem Leben flog sie, ohne dass ihr vor Nervosität heiß wurde.
»Es ist so flach hier und so warm«, staunte Nelly, als sie mit Percy die Gangway hinunterstieg und sich dabei umsah.
Schmunzelnd führte er sie zu einem schnittigen schwarzen Porsche. Percy wechselte einige Worte mit einem Parkplatzangestellten, ließ sich die Wagenschlüssel geben und schloss auf.
»Wo steht dein Hotel?« fragte Nelly.
»In Palm Beach. Hier sind wir in West Palm Beach. Wir müssen den Worth-See überqueren, um auf die Insel zu kommen.«
»Ach so.« Dann schwieg Nelly und betrachtete verzückt die hohen schlanken Palmen an der Straße.
Die Landschaft, durch die sie fuhren, war so anders als ihre Heimat in Neu England, dass sie sich vorkam wie in einer fremden Welt. Das Wasser des Worth-Sees, der Palm Beach vom Festland trennte, glitzerte in der Nachmittagssonne. Am Strand standen vornehme, elegante Hotels.
Nelly erkannte die Initialen »P.R.« an einem turmartigen weißen Gebäude, das sich zwölf Stockwerke hoch über den Atlantik erhob. Hunderte von Fenstern spiegelten das Sonnenlicht wider. Percy fuhr die halbkreisförmige Auffahrt entlang und hielt vor dem Hoteleingang.
Nelly kniff leicht die Augen zusammen und staunte über die gepflegte Anlage. Neben der Glastür, die in das Hotelfoyer führte, standen üppig wuchernde tropische Pflanzen in Marmorkübeln. Die unterschiedlichen Farben waren gut aufeinander abgestimmt. Alles an diesem Hotelkomplex wirkte harmonisch.
Percy ging um den Wagen herum und öffnete die Tür. »Komm.« Er half Nelly galant beim Aussteigen und führte sie an seiner Hand ins Hotel.
Das Foyer kam Nelly vor wie ein tropisches Paradies. Der Boden war gekachelt, in der Mitte befand sich ein künstlich angelegter Felsengarten mit einem Springbrunnen. Das Hotel war rund gebaut. Verschiedene architektonische Effekte erweckten den Eindruck einer Spirale, die nach oben strebte. Die Decke war blau und wirkte offen wie der Himmel. Einen krasseren Gegensatz zu der anheimelnden, familiären Atmosphäre des »Lakeside Inn« konnte Nelly sich nicht vorstellen.
»Guten Tag, Mr. Reynolds.« Ein schlanker, gut gekleideter Mann störte Nelly in ihren Betrachtungen. »Wie schön, dass Sie wieder einmal hier sind.«
»Paul.« Percy schüttelte ihm lächelnd die Hand. »Nelly, das ist Paul Bailey, der Manager. Paul, das ist Miss Nelly Clark.«
»Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennen zu lernen, Miss Clark.« Paul Bailey begrüßte Nelly und betrachtete sie interessiert.
»Kümmern Sie sich um unser Gepäck, ich bringe Miss Clark nach oben. Später komme ich dann zu Ihnen.«
»Selbstverständlich. Alles ist für Ihre Ankunft vorbereitet.« Die Zähne blitzten in dem tief gebräunten Gesicht auf. Er ging zur Rezeption und griff nach einem Schlüssel. »Ihr Gepäck wird gleich hochgebracht, Mr. Reynolds. Kann ich noch etwas für Sie tun?«
»Wie bitte?« Nelly betrachtete noch immer gedankenverloren das luxuriöse Foyer.
»Hast du irgendeinen Wunsch?« Percy lächelte und strich ihr eine Locke aus dem Gesicht.
»Ach nein, eigentlich nicht. Vielen Dank.«
Percy nickte Bailey zu, nahm Nellys Hand und führte
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