Pep Guardiola: Die Biografie (German Edition)
Sobald die Antwort einmal Nein laute, sei es an der Zeit, sich nach einer anderen Beschäftigung umzusehen.
Das Leben in der Fußballschule bot auch noch andere Vorteile. Die Masía-Jungen hatten die Gelegenheit, zu privilegierten Zuschauern im Camp Nou zu werden, wenn sie an den Spieltagen Klub-Programmzettel verteilten oder – auf einer langen Warteliste – in die Reihen der Balljungen aufrückten. Es gibt ein Foto des jungen Pep auf dem Stadionrasen. Er applaudiert begeistert Barcelona-Spielern, die ihren Trainer Terry Venables auf Schultern tragen, nachdem sie 1986 gegen den IFK Göteborg im Halbfinal-Rückspiel des Europapokals der Landesmeister mit einem Sieg im Elfmeterschießen das Endspiel erreicht hatten.
Der Balljunge Pep lernte eine unerwartete Lektion, als er darauf wartete, dass sein Idol Michel Platini vor einem Spiel Barcelonas gegen Juventus Turin aus der Kabine kam. Er hatte wochenlang von der ersten Chance geträumt, seinem Kindheitsidol leibhaftig zu begegnen, und einen schlauen Plan entwickelt, um sich Platinis Autogramm zu beschaffen: Er wollte sich – Stift und Papier hatte er in die Hosentasche gesteckt – auf den französischen Star stürzen, wenn dieser über den Platz ging, um sich an dessen anderem Ende seinen Teamkollegen zum Aufwärmen anzuschließen. Pep wusste: Das würde die einzige Chance sein, die er bekam, ohne in Schwierigkeiten zu geraten. Cabrini, Bonini und Brio trabten auf den Rasen, dann Michael Laudrup. Aber kein Platini. Schließlich sickerte durch, dass der französische Superstar nicht jedes Mal mit dem Team auf den Platz kam und in dieser Zeit ein Stretching-Programm absolvierte. »Aha«, dachte Pep, »also werden nicht alle Spieler gleich behandelt; es stellt sich heraus, dass sie nicht alle gleich sind.« Stift und Papier blieben unbenutzt in seiner Tasche.
Das Platini-Poster, das ihn nicht nach La Masía begleitet hatte, blieb noch ein paar Jahre an der Wand seines Kinderzimmers in Santpedor hängen, aber nach und nach rückte ein anderer – diesmal sehr viel zugänglicherer – Spieler in den Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit: Guillermo Amor, der später in der Johan-Cruyff-Mannschaft im Mittelfeld spielen sollte, war vier Jahre älter als Pep und wohnte ebenfalls in La Masía.
»Ich war 13 Jahre alt, damals, als ich damit anfing, alles zu beachten, was du gemacht hast«, schrieb Pep vor zehn Jahren in seiner Autobiografie La meva gent, el meu futbol (»Meine Leute, mein Fußball«) über Amor.
»Ich sah mir nicht nur jedes deiner Spiele an, sondern auch die Trainingseinheiten. Ich achtete auf deine Einstellung, denn du hast dich mit jedem anderen Spieler so auseinandergesetzt, als hinge dein Leben davon ab. Mein fußballpraktischer Unterricht spielte sich meist um 19 Uhr auf einem benachbarten Platz ab; aber ich kam in der Regel schon zwei Stunden früher, sodass ich den Theorieunterricht auf Platz Nummer 1 mitverfolgen konnte: Ich konnte beobachten, wie du dich verhalten, wie du deine Mannschaftskameraden angespornt, wie du den Ball gefordert und dir den Respekt aller Menschen in deiner Umgebung erworben hast. Heute zolle ich dir meine Hochachtung für jeden einzelnen dieser Augenblicke, die du uns damals in La Masía auf dem Platz Nummer 1 verschafft hast, während der Mahlzeiten, in der Umkleidekabine, in den Ferien, bei den Reisen in Hotels, ja sogar im Fernsehen.«
Wenn Amor mit der zweiten Mannschaft von Auswärtsspielen zurückkehrte – mit einem Team, dem auch Tito Vilanova angehörte, Peps späterer Assistent und Nachfolger auf der Trainerbank im Camp Nou –, bedrängte ihn Guardiola regelmäßig mit Fragen zum Ergebnis und zu Einzelheiten des Spielverlaufs. »Wir haben gewonnen«, lautete die Standardantwort. Amor, der all die Werte verkörperte, die den Spielern des Klubs bis hinauf zur ersten Mannschaft vermittelt werden, sollte im Lauf der nächsten Jahre für Pep – der intuitiv verstand, dass dieser Klub für mehr stand als nur für den materiellen Besitz, der sich im Stadion und im Trainingsgelände verkörperte, nämlich in erster Linie für das Fußballgen, das Guillermo und anderen Spielern wie ihm gemeinsam war – so etwas wie ein älterer Bruder werden. Peps erste wichtige Entscheidungen als Cheftrainer des FC Barcelona – der Verkauf von Ronaldinho und Deco oder die Zustimmung zur Ernennung Amors zum Leiter der Jugendfußballabteilung – waren später dann von dem Wunsch bestimmt, der entscheidende Einfluss in der Mannschaft
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