Per Anhalter (German Edition)
groß. Ein unglaublicher Kontrast. Er trug ebenfalls eine Brille und sah ein bisschen aus wie Schlaubi-Schlumpf.
„Frau Gimm?“ fragte der größere von beiden.
„Ja?“,
„Mein Name ist Lendner und das ist mein Kollege Scholl…“
und wir haben ihren Sohn gefunden, Frau Gimm. Hören Sie? Ihren Sohn, Frau Gimm. Er ist tot. Es tut uns sehr leid. Seine Leiche wurde in einem Wald gefunden… Frau Gimm… Frau Gimm?
„Frau Gimm?“,
„Was?“,
„Könnten wir Sie kurz sprechen?“ Sie schluckte und nickte. „Ja. Ja, sicher. Kommen Sie rein. Haben Sie meinen…“ sie konnte nicht weiter sprechen. Unmöglich! Sie wollte eigentlich gar nichts hören. Wenn David noch lebt, hätten sie ihn gleich mitgebracht. Er ist tot. Er ist TOT!!! Nein. Nein. NEIN! Sie schaute zurück.
Sie machten ein ganz normales Gesicht. Kein bisschen betreten. Es sind Profis. Widerlich so etwas. Sie überbringen jeden Tag solche Nachrichten. Jeden beschissene Tag tun sie das.
„In… die Küche oder?“,
„Das ist egal, wie Sie möchten. Oh, da schläft noch jemand…“ sagte der große, nachdem er ins Schlafzimmer geblickt hatte.
„Meine To-To-Tochter.“,
„M-hm. Schön.“ Sie entschied sich für die Küche.
War doch egal wo – unordentlich war es überall und sie würden ja auch gleich wieder gehen, wenn sie erst die Nachricht überbracht hatten. Obwohl sie von ihrer Tochter gesprochen hatte, konnte sie aus ihren Gesichtern immer noch nichts ablesen.
Nicht das Geringste.
Profis. Das sind Profis!
Sie deutete den beiden Polizisten mit der Hand an, dass sie doch bitte Platz nehmen sollten. Sie steckte ihre zitternde Hand sofort wieder in das Paket mit den Hülsen. Sie bekam keine richtig zu packen, sie fielen einfach wieder zurück. Als sie dann eine hatte, zitterte sie wie ein in einem Gully eingeklemmtes Blatt bei starkem Wind in ihrer Hand, während sie mit der anderen (viel zu viel) Tabak aus der Dose sammelte.
„Sie brauchen nicht nervös zu sein“ sagte Schlaubi-Schlumpf altklug und nüchtern.
Er hatte gut reden. Wahrscheinlich stammte der beknackte Satz aus einem beknackten Lehrbuch der beschissenen Polizeischule, die er gerade hinter sich hatte.
„Ne, genau“ bemerkte der andere, „Wir beißen nicht.“
Dann setzte er sich derart schwungvoll hin, dass Mareike für einen Augenblick ernsthaft damit rechnete, der Stuhl würde unter seinem Gewicht zusammenbrechen. Dies geschah jedoch nicht. Er kramte in seiner Aktentasche herum und zog daraus ein paar in Klarsichthüllen eingehüllte Blätter Papier und eine Tüte, die wie ein Gefrierbeutel aussah heraus. Seine Atmung war gleichmäßig und klang wie das Schnaufen eines Stieres. Dann räusperte er sich und öffnete das gefrierbeutelähnliche Tütchen. Ganz lässig, ganz ruhig. In dem Tütchen befand sich ein demoliertes Handy. Davids Handy.
„Wir haben dieses Handy hier gestern in einem Wald gefunden. Das heißt, nicht wir, sondern Kollegen von der Kripo Flensburg…“ Mareike schluckte, ihr Kopf kreierte den Satz schon wieder vielfältig zu Ende.
„… unsere Ermittlungen ergaben, dass die Sim-Karte auf ihren Namen läuft, Frau Gimm.“,
„Mein Sohn“ stammelte sie, „Es gehört meinem Sohn. Haben Sie ihn gefunden?“,
„ Das Handy“ antwortete er und sah sie prüfend an, „Sonst haben wir nix gefunden. Ist ihr Sohn…“,
„Mein Sohn wird seit vorgestern vermisst . Ich dachte, Sie kommen her, weil Sie mir sagen wollen, dass Sie ihn gefunden haben. Stattdessen finden Sie sein Handy. In einem Wald . Oh Gott, nein, in einem Wald !“ Sie wurde hysterisch. Das konnte doch wohl nicht wirklich wahr sein, oder? Da kamen zwei Bullen vor ihre Tür, um ein gefundenes Handy zurückzubringen? „So, nu aber mal langsam und der Reihe nach“ fiel ihr der Dicke ins Wort. „Also: Ihr Sohn wird vermisst, ja?“,
„Ja!“,
„Seit vorgestern?“,
„Ja! Und er wollte nach Flensburg. Zu seiner Freundin. Sagen Sie mir doch endlich wo mein Sohn ist, verdammt .“ Sie schluchzte, „Ist er jetzt bei seiner Freundin oder nicht? Wo ist er? Er ist sechzehn Jahre alt und kein Mensch weiß wo er steckt. Ich weiß nicht, wo diese Lena wohnt, nur dass es in Flensburg ist. Und jetzt kommen Sie…“,
„SO!“ blökte der dicke Polizist wütend, doch sie ließ sich nicht aufhalten, „ Und erzählen mir, sein Handy wurde im Wald gefunden. Kommen hierhin und haben noch nicht einmal eine Ahnung davon, dass er vermisst gemeldet ist? Was ist denn das
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