Per Anhalter (German Edition)
hatten, die Bullen bei ihnen aufschlugen. Er misstraute ihm und wollte ihn am liebsten los werden. Lasse ging es genauso. Irgendwie hatte er bei David ein ganz ungutes Gefühl. Als ob er ständig etwas im Schilde führte… und vor allen Dingen, als ob er der Auslöser dafür sein würde, dass ihre Familie zerbrach. Das konnte und durfte er nicht zulassen. Er nicht, und Papa auch nicht. Sie waren Männer , die Leitwölfe, die ihr Revier verteidigen mussten, nicht wahr?
Vielleicht war es an der Zeit, mal in aller Ruhe mit Papa zu sprechen. Das hatte er lange schon nicht mehr getan. Ein echtes Vater/Sohn-Gespräch, von Mann zu Mann.
Wir könnten gemeinsam überlegen, was wir machen , dachte er, und war auf einmal voller Tatendrang. Hoffentlich war er nicht mit Mama mitgefahren, aber er war sich sicher, Mama hatte nur die Schlampe Sonja mit dabei. Sie war im Gegensatz zu David nämlich schon wieder wach und ging ihm tierisch auf den Wecker. Vorhin hatte er ihr nur gesagt, dass sie aus dem Maul stank (was wirklich der Wahrheit entsprach), und sie hatte sofort wieder angefangen zu kreischen.
Er hoffte dass sie Sonja mit hatte. Als kleines Mädchen war Sonja mal in irgend so einer komischen Klinik gewesen. Sie hatte auch eine Krankheit, aber Lasse hatte keine Ahnung mehr, wie sie hieß. Das war außerdem keine Entschuldigung und erst recht keine Rechtfertigung dafür, dass sie den ganzen Tag rum nerven und schreien durfte.
Warum hatte Mama sie nicht einfach in der Klinik gelassen?
So ein missratenes Gör, so einen Fehler konnte man doch nicht ernsthaft mit sich herum schleifen wollen. Eigentlich war sie nur ein Klotz am Bein. Und manchmal… manchmal hatte er das Gefühl, dass Papa es genau so sah. Er hatte viel Ähnlichkeit mit ihm. Vielmehr als mit Mama. Im Moment sowieso.
Er watete durch das feuchte Gras, das ihm stellenweise fast bis zu den Hüften reichte, in Richtung der Wohnwagen zurück. Hier war definitiv seit Jahren schon nichts mehr gemacht worden. Früher hatten hier manche Leute einen kleinen Garten, bis etwas oder jemand sie von hier verscheuchte. So zumindest wirkte der Ort. Hinter einer Buchsbaumhecke lagen sogar noch, übereinander gelappt, die kläglichen Überreste von dem, was einmal ein Planschbecken war sowie eine Kinderschaukel. Als ob hier eine Krankheit oder so ausgebrochen war, und die Menschen einst Hals über Kopf geflüchtet waren.
Uwe war noch nicht zurück und Mama war gerade eben erst losgefahren.
Wann also, wenn nicht jetzt, war ein geeigneter Augenblick, sich mit seinem alten Herrn zu unterhalten. Über David zum Beispiel. Oder Sonja… Oder einfach über die Zukunft.
Er hatte Glück, Papa war sogar draußen.
Er saß auf einem Hocker, schien ganz in Gedanken zu sein. Er hielt eine Dose Bier in den Händen und hatte den Kopf auf die Brust gelegt.
Entweder denkt er gerade nach, oder er pennt , dachte Lasse.
Wie immer war er ein bisschen aufgeregt, als er auf Papa zuging. Papa war manchmal ein stückweit unberechenbar was seine Zulänglichkeit anbetraf. Manchmal ranzte er ihn richtig an, wenn er sich gestört fühlte, aber manchmal schlang er auch den Arm um ihn und sagte so etwas wie „Na mein Großer“ oder so. Er hoffte, dass Papa heute etwas Gesellschaft vertragen konnte.
Hassan lag neben ihm.
Er winselte noch immer ganz schön sobald er sich bewegte, und er sah nach- wie vor entsetzlich aus. Der arme alte Junge hatte ganz schön einen mitgekriegt. Seine beiden Vorderpfoten waren vollkommen entstellt. Blutiges Knorpelgewebe ragte aus ihnen heraus. Am Bauch sah er aus, als wäre er aufgeschlitzt worden. Aus einem Spalt, ein kleines Stück neben seinem Hoden, klaffte eine schleimige Wulst seiner Därme heraus und anstelle eines Auges, hatte er links im Gesicht nur noch eine grünlich-weiße Masse kleben, die aussah wie eine blinde Fensterscheibe.
„Das mir ja niemand diesen Hund anfasst!“ hatte Papa mahnend gesagt und diese Aufforderung an niemand Bestimmten gerichtet. Es war, als stellte er eher etwas fest , als dass er etwas klar stellte. Niemand wäre freiwillig auf die Idee gekommen, auch nur in die direkte Nähe dieses zerklüfteten (und nach totem Fleisch stinkenden!) Haufen Fells zu kommen, wenn es vermeidbar war. Uwe meinte, der Hund gehöre eingeschläfert, denn er quälte sich doch nur, doch das kam für Papa überhaupt nicht infrage. Hassan bedeutete ihm mehr als jedes andere Lebewesen auf der Welt. Unglaublich, oder?
Dabei war das nur ein
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