Per Anhalter (German Edition)
eine Hand aus dem Gras schießt und ihn am Knöchel packt… Wo die Küchenschränke in der verlassenen Laube erbeben… Oder sich Fußspuren in der Erde auftun, Kinderlachen ertönt und dann wieder verklingt.
Vielleicht lag es an der Luft hier. Vielleicht strömten irgendwelche Gräser oder Blumen etwas aus, das seine Fantasie anregte. War ja alles nicht unmöglich, oder? Aber ihr Auto hatte er sich nicht eingebildet, verdammt noch mal. Und auch die Wohnwagen nicht. Gut, er hatte vielleicht aktuell nicht die solidesten Gedanken im Kopf, aber er war nicht blöd! Er wusste, was er gesehen hatte… Er bemerkte die Beretta in seiner Hand. Die ganze Zeit über befand sie sich darin und wippte im Takt der Schwingungen seiner Arme auf und ab, ohne dass er darüber nachdachte. Das ist nicht gerade das, was man unter verantwortungsvollem Umgang mit einer Schusswaffe versteht , dachte er, um sich abzulenken, als auf einmal ein lautes Krachen die Stille durchbrach.
Er fuhr zusammen.
Irgendwo aus der Ferne war eine Stimme zu hören. Die Stimme eines Mannes. Er verstand die Worte nicht, die gesprochen wurden, doch am Tonfall konnte er heraushören, dass der Mann wütend war.
Dann krachte es wieder… und die Stille kehrte zurück.
Also ist da doch noch ein Mann. Okay. Seine Hände zitterten. Warum zum Henker mache ich das hier? Er ging trotzdem weiter in den Garten hinein. Ein alter Autoreifen, in dessen Mitte Zement gegossen war, lag im hohen Gras. Offensichtlich diente das Ding früher einmal als Fuß für eine Wäschespinne, einen Sonnenschirm oder so ähnlich. Eine Spinne krabbelte darauf herum. Es war eine von diesen blitzschnellen Spinnen, wie man sie im Sommer zuhauf in hohen Gräsern fand. Er blieb stehen, lauschte noch einmal und schaute sich in alle Richtungen um. Dann ging er auf die Hecke zu und schaute durch sie hindurch.
Da waren sie, die beiden Wohnwagen. Und ihre Karre stand davor.
Zunächst war kein Mensch zu sehen, doch dann bemerkte er einen ziemlich übergewichtigen Jungen, der mit einem Stock in der Hand herum ging und damit im Gras herum stocherte. Er wirkte gelangweilt… Vielleicht auch frustriert… Der Junge setzte sich auf einen Stein und piekte dümmlich mit dem Stock in der Erde herum. Jetzt, da er sich nicht mehr bewegte und es komplett still war, vernahm Wolfgang wieder Stimmen. Sehr gedämpft. Und auch dieses Mal verstand er nichts von dem, was gesprochen wurde, sondern nur, dass es sich offenbar um einen Streit handelte. Eine Frauenstimme war ebenfalls zu hören. Offensichtlich diskutierten sie in einem der beiden Wohnwagen miteinander. Die Frau… Und ihr Mann… Und das da war wohl ihr Sohn. Plötzlich fand er das Wort, wonach er die ganze Zeit gesucht hatte, und auf das er nicht kam: Zigeuner! Das müssen irgendwelche Zigeuner oder so sein. Man denkt vielleicht bei Zigeunern sofort an irgendwelche Rumänen oder Bulgaren oder so, aber wer weiß. Vielleicht hat die scharfe Mieze ja ein paar Vorfahren von dort… Zigeuner… Oh Junge, da wird die Polizei sich aber freuen. Vielleicht haben die sogar Knoblauch vor den Fenstern hängen, zum Schutz vor Vampiren oder so. Geisteskranke Vollpfosten. Und heute Abend gibt’s einen halben Hasen, was?! Selbst geschlachtet versteht sich… Denkt ihr jetzt , Leute. Das denkt ihr jetzt. Ich werde dafür sorgen, dass euer kleines Versteck ausgeräuchert wird, das verspreche ich euch. Sein loderndes Aggressionspotential erwachte.
Ausräuchern… Ich könnte eure abgefuckten Scheißwohnwagen ja auch anzünden… Kein Mensch auf der Welt würde ein verlaustes Pack wie euch vermissen. Und ich würde dich ficken, du verdammte Hure, während dein gesamtes Hab und Gut und deine komplette Sippschaft darin verkohlt. Die Tür des rechten Wohnwagens wurde aufgerissen. Instinktiv duckte Wolfgang sich. Sie sehen mich nicht. Und meine Gedanken hören sie auch nicht… Und trotzdem wollte ihn das Gefühl nicht los lassen, dass irgendwer oder irgendetwas ihn beobachtete, und dass es nicht gut und richtig war, hier zu sein. Er sah, wer da aus der Tür herausgekommen war. Es war ein riesiger Typ in einem weißen Unterhemd. Ein Glatzkopf soweit er es von seiner Position aus erkennen konnte. Der sah auch nicht wie der landläufige Zigeuner aus. Wieder wurde etwas gesprochen und wieder verstand er kein Wort davon. Dafür war er einfach zu weit weg. Er schlich sich an der Hecke entlang bis an das hintere Ende des Gartens. Er hoffte, dass er dort irgendwo unbemerkt auf das
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