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Per Anhalter (German Edition)

Per Anhalter (German Edition)

Titel: Per Anhalter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oke Gaster
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abgebrochener Pinselstiel. Die beiden Kellerasseln, die sich auf ihm befanden, krabbelten träge vor und zurück. Sie waren auch nicht gerade scharf darauf, in sein Bein hineingesteckt zu werden. Sie mochten es dunkel und feucht und konnten auf jeglichen Kontakt mit Menschen gut verzichten. Sie wollten sich einfach nur sicher fühlen in ihren Verstecken unter Steinen, morschem Holz… oder eben an seit Jahren herum liegenden Pinseln… Konnte ja schließlich keiner ahnen, dass eines Tages ein wahnsinniger Junge vorbeikommen würde und…
     
    „AAAAAAAHHHAAAAA!“ brüllte David, der mit dem morschen Stück Holz die Fliegeneier aus seinem Stumpf beförderte. Es ertönte ein schmatzendes, flutschendes Geräusch und ein Gewebebrocken (Davids Ansicht nach voll Fliegeneier!!!) schoss heraus. Er hing wie an einem seidenen Faden aus dem offenen Loch, bis David jenes letzte Band mithilfe des zerbrochenen Pinselstiels kappte (wodurch tatsächlich die ersten Fliegen angelockt wurden…). Doch das war natürlich noch lange nicht alles. Schon vergessen, wie schnell sich Fliegen vermehren? Sie setzen sich in alle Ritzen und es bedarf einer Menge Geduld und Spucke, jedes einzelne Ei zu eliminieren.
    Das Bein rotzte wie von selbst einen weiteren flutschenden Brocken heraus, der auf den Boden klatschte. Ein Rinnsal aus Eiter suppte hinterher wie Brackwasser aus einem vergifteten Bach.  Zunge schnalzend peinigte sich David weiter selbst mit dem Pinselstiel und ertrug dabei Wogen aus solchem Schmerz, die mit keinem Wort begreifbar zu machen wären. Es waren himmelschreiende Qualen. Und das Schlimmste war: Es war erst Beinstumpf Nummer eins. Der zweite musste auch noch gesäubert werden. Und außerdem war er schon viel zu spät dran, denn er spürte, wie sich die Ausgeburt des Bösen schimmelpilzartig nach oben hin ausdehnte. Wenn er nicht schleunigst dafür sorgte, dass die klebrige Substanz aus ihm verschwand, würden die Biester schon bald seine Gedärme verspeisen und sich in ihm ausdehnen, bis sie letztlich sein Gehirn befielen und ihre Population so rasant wuchs, dass sie ihm aus den Augäpfeln heraus quollen.
    „NEEEEIN!“ schrie er. Aber doch , natürlich, seine Mutter hatte es ihm soeben zugeflüstert. Sie wusste nämlich sagenhaft gut Bescheid über Fliegen. Und Fliegen sind ganz scharf auf das Gehirn. Er brauchte sich gar nicht großartig anzustrengen. „Wenn die erst mal drinnen sind, David, dann kannst du vielleicht zum Arzt gehen und dir da was verschreiben lassen. Aber mit so ´nem blöden Pinn kommst du nicht weit. Wie gesagt, wenn die erstmal drin sind, dann wirst du sie auch nicht so schnell los. Die vermehren sich wie die Karnickel! Und die sind ja so klein, weißt du? Du siehst sie ja gar nicht. Was bist du eigentlich für ein ungebildeter Halodrie? Selbst deine Schwester weiß das. Deshalb darfst du niemals mit offenen Wunden rum rennen. Eigentlich ganz logisch, findest du nicht? Und wenn sie im Gehirn sind, dann tut´s dir richtig weh. Oha, dann wirst du schreien , David, das glaub man.     
     
    ***
     
    Widerlich, die ganze Wohnung stank nach kaltem Rauch! Nicht ein einziges Fenster war geöffnet. Mareike wurde fast schlecht von dem Geruch. Sie musste hier erst einmal lüften. Ihr Bett im Schlafzimmer war aufgeschlagen. Die Bettdecke hing halb auf dem Fußboden. Ihr eigenes Kopfkissen und das von Nadja, die zuletzt mit ihr zusammen darin geschlafen hatte, lagen zerknittert darauf, als wären sie beide gerade vor zwei Minuten daraus entstiegen. Sie verspürte das dringende Bedürfnis, Ordnung in dieses Chaos zu bringen. Nur wo sollte sie anfangen? Sie schaffte es gerade einmal, die Bettdecke an den Zipfeln zu packen und sie hoch zu heben. Weiter kam sie nicht, da verließen sie schon wieder alle Kräfte. Es war hoffnungslos. Und es war ekelhaft. Die Bettbezüge waren schon seit so vielen Wochen drauf. Sie hasste Bettwäsche waschen. Und sie hasste es auch, das Bett zu beziehen. Aber genauso sehr hasste sie die vielen Haare auf dem Kissen und auf dem Bettlaken. Diese kamen nun aber hauptsächlich von ihrer Tochter, denn die haarte zuweilen wie eine Perserkatze. Und dann der Teppich... Jede gutbürgerliche Hausfrau würde aller Wahrscheinlichkeit nach die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn sie diesen staubigen Saustall sah. Nein, zugegeben, sie war nie eine großartige Hausfrau gewesen. Diesen Anspruch hatte sie auch nicht. Aber wenn sie (so wie jetzt) ausnahmsweise mal auf die  Fensterbank

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