Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Per Anhalter (German Edition)

Per Anhalter (German Edition)

Titel: Per Anhalter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oke Gaster
Vom Netzwerk:
fließenden Wasserhahn.
    Frisches, kaltes Wasser. Er hätte seine Seele für einen winzigen Schluck davon verkauft.
    Ihm schossen wieder Tränen in die Augen. Er musste weiter, vorwärts, und das ganz schnell, bevor die Hütte schloss und hier Feierabend war. Endgültig Feierabend.
    „Waaassaaa krinkään“ spie er mit letzter Kraft, wobei sich wieder dieser fremdartige Schaum in seiner Mundhöhle sammelte, der eine Konsistenz wie Spülmittel hatte und beißend sauer schmeckte. Dann brach er endgültig zusammen und weinte. Das Leben war so ungerecht zu ihm. Was hatte er getan, dass er es verdiente, so zu verenden? Warum konnte er sich nicht kneifen, aufwachen und feststellen, dass alles nur ein grauenvoller Albtraum war? Wenn er die Möglichkeit hätte, wäre er nie im Leben mehr irgendwohin abgehauen und schon gar nicht per Anhalter. Er war nur ein Mensch. Menschen machen Fehler und sie lernen daraus. Er würde sich vor die Welt stellen und allen zurufen: „ Fahrt niemals, nie-niemals mit Fremden mit. Hinter jedem Steuer könnte ein Irrer sitzen. Man sieht es den Menschen nicht an. Es ist die Wahrheit, Leute! Man sieht es ihnen nicht an!“ Aber dazu würde er nie mehr Gelegenheit haben. Er hatte einen Fehler gemacht, aber keine Chance daraus für die Zukunft zu lernen. Für ihn würde es keine Zukunft mehr geben. Er hatte mit dem Feuer gespielt und sich selbst in Brand gesteckt. Er würde mit dem Teuersten und Kostbarsten bezahlen, worüber ein Mensch verfügte: seinem Leben. Und niemand würde daraus lernen.
    Er war nur einer von vielen unverbesserlichen Schwachköpfen, die Tag für Tag, Jahr um Jahr zu fremden Leuten ins Auto stiegen und Russisches Roulette mit scharfer Munition spielten. Und er hatte Pech gehabt. Danke, Lena dachte er und sah sich vor ihr stehen. Danke dass ich wegen dir sterbe. Danke dass du mir nicht davon abgeraten hast per Anhalter zu fahren, danke für deine Ungeduld und danke dass du dir offenbar sooo große Sorgen um mich machst, dass kein Mensch nach mir sucht. Du billige Fotze! Vielen Dank!
    Und im Wald standen die Anderen und lachten. Sie zeigten mit dem Finger auf ihn als er am Boden lag und sie kicherten quietsch vergnügt. Ein kurzes luzides träumen davon, in einen Gully zu fallen… und zu fallen… und zu fallen… dann verlor er endgültig das Bewusstsein.
     
    ***
     
    Im Anbetracht der Prioritäten, die Lolle in seinem Leben gesetzt hatte, war es schwer vorstellbar, dass er ein gläubiger Mensch war. Aber das war er in der Tat! Das war ihm von seiner Mutter geblieben, die ein wahrhaft frommes Leben führte. Schon wenn man mal in ihrem Beisein schimpfte war sie praktisch entrüstet davon und hielt sich die Hand vor den Mund. Du versündigst dich , sagte sie daraufhin. Sie ging auch bis heute jeden Sonntag in die Kirche und bastelte für Erntedankfeste und die Weihnachtszeit jedes Jahr aufs Neue. Ihr Mann – Lolles Vater – war mit nur 32 Jahren gestorben. Sie hatte ihn und die beiden Schwestern allein und streng nach ihren Prinzipien großgezogen. Marina und Sofie lebten voll nach dem Vorbild der Mutter – nur er war ein bisschen aus der Art geschlagen. Ein bisschen… Jedoch war er nie frei dabei. Er betete sehr regelmäßig zu Gott und bat um Vergebung für seine Sünden. Das machte es zwar nicht besser, aber er fühlte sich dadurch zumindest ein Stück weit gereinigt von der Schuld, die er auf sich geladen hatte. Gott war immer gnädig zu ihm gewesen, und das war noch ein weiterer Grund, weshalb er endlich damit aufhören musste, ständig nur das große Geld zu sehen und alles dafür zu tun.
    Es war jedoch wie eine Sucht. Er hatte die irre Nadel im Körper gehabt und war infiziert. Und er hatte immer gut gelebt… Jedoch nie frei. Er hatte immer das Gefühl, sich vor Gott rechtfertigen zu müssen, und immer Angst, eines Tages aufgrund seiner Sünden in der Hölle zu schmoren. Der heutige Abend war vielleicht der Vorhof dazu. Der Weckruf Gottes dafür, dass er den Großteil seines Lebens mit nichts anderem zugebracht hatte als zu fluchen, zu betrügen, zu rauchen und zu saufen und an sich selbst zu denken.  
    Er faltete seine Hände zum Gebet: „Lieber Gott, bitte mach, dass hier nichts Schlimmes passiert. Ich werde in Zukunft ganz bestimmt mehr darauf achten dich zu würdigen. Ich möchte einfach, dass alles besser wird. Bitte lass mich nur den Angelschein und die Sachen finden, und mach, dass die Polizei mich nicht in Verbindung mit dem bringt, was Britta getan

Weitere Kostenlose Bücher