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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Verbrechen, wurde im Spike nach oben gesandt, bis hinauf in das zweithöchste Stockwerk, dort schnellen Schrittes einen bogenförmigen, fensterlosen Flur entlanggetragen und im Vorzimmer der Frau Innenminister abgegeben. Pünktlich um neun Uhr dreißig lag die Mappe auf ihrem Tisch. Um zwölf Minuten nach zehn blaffte gebieterisch eins der Sprachrohre in der Gondelstation, die das gesamte Geschoss an der Spitze des Spike einnahm. Der junge Sergeant vom Dienst war an der entgegengesetzten Seite der Kuppel damit beschäftigt, den beschädigten Scheinwerfer an einer Gondel auszuwechseln, die mit vielen anderen, jeweils in Zehnergruppen zusammengefasst, unter dem Netz von kreuz und quer gespannten Drahtseilen hing. Das scheinbare Gewirr hatte System und ermöglichte es, die Gondeln zu rangieren, sie einzeln oder als Gespann an eine der sieben Gleistrossen zu bugsieren, die sich aus den ebenfalls sieben torhohen Öffnungen unter der Kuppel über die Megalopole spannten.
    Von seinem Platz aus konnte der Sergeant beobachten, wie die Trosse sich durch den Turm von Sheck fädelte, eine Meile südwestlich. Er sah eine Gondel hinten aus dem Turm hinausgleiten und hoch über den Dächern der Häuser, mehr oder weniger auf Augenhöhe mit ihm, in Richtung des Tar davonschießen, der im Süden vielfach gewunden und tückisch dahinströmte.
    Das hartnäckige Pochen veranlasste ihn schließlich, den Kopf zu wenden, und als er sah, welches Rohr seine Aufmerksamkeit verlangte, rannte er fluchend hin. Sein Pelzmantel flatterte. Selbst im Sommer war es kalt hier oben in dem nach allen Seiten offenen Raum, der wie ein gigantischer Windtunnel wirkte. Der Sergent zog den Stopfen heraus und bellte in das Messingrohr:
    »Zu Befehl, Frau Minister?«
    Die antwortende Stimme drang gedämpft und verzerrt aus dem Trichter:
    »Machen Sie meine Gondel fertig. Ich fahre nach Strack Island.«
     
    Die Flügel der Tür zum Lemquist Room, dem Amtszimmer des Bürgermeisters, waren riesig und mit Eisen beschlagen. Rund um die Uhr standen zwei Milizionäre auf Wache davor, aber einer der üblichen Vorteile derer, die sich in den Fluren der Macht die Beine in den Bauch stehen müssen, blieb ihnen versagt: Keine Gerüchte, keine Geheimnisse, überhaupt keine Geräusche drangen durch die dicken Bohlen zu ihnen hinaus.
    Der Raum hinter dem eisenbeschlagenen Portal war ungeheuer hoch, die Täfelung aus kostbarem Teerholz beinahe schwarz. Die Porträts früherer Bürgermeister zogen sich in einer Spirale rings an den Wänden hinunter, beginnend dicht unter der zehn Meter hohen Decke bis zwei Meter über dem Boden. Ein großes Fenster rahmte das beeindruckende Panorama der Perdido Street Station mit dem Spike. In Mauernischen standen Sprachrohre, Rechenmaschinen und Periskopteleskope in obskur-bedrohlichen Stellungen.
    Bentham Rudgutter thronte, umgeben von der Aura unanfechtbarer Autorität, hinter seinem Schreibtisch. Niemand, der ihn je in diesem Raum gesehen hatte, blieb unberührt von der stählernen Gewissheit absoluter Macht, die er verströmte. Er war hier das Maß aller Dinge. Von diesem Bewusstsein war er durchdrungen und seine Besucher ebenfalls. Zweifellos trugen seine Körpergröße und muskulöse Korpulenz zu diesem Eindruck bei, aber das Physische machte nur einen Teil seiner Präsenz aus.
    Ihm gegenüber saß MontJohn Rescue, sein Stellvertreter, wie immer einen dicken Schal um den Hals und vorgebeugt, um auf eine Stelle eines Schriftstücks zu deuten, das beide Männer studierten.
    »Zwei Tage«, sagte Rescue mit einer seltsamen monotonen Stimme, die nichts von dem sonoren Organ hatte, in dem er seine Reden vortrug.
    »Dann was?« Rudgutter strich sich über den gewichsten Spitzbart.
    »Tritt der Streik in eine kritische Phase. Derzeit, wie Sie wissen, ist der Frachtverkehr um fünfzig bis siebzig Prozent beeinträchtigt. Nun, wir haben Informationen, dass die streikenden Vodyanoi vorhaben, übermorgen die gesamte Schifffahrt lahm zu legen. Kapitale Übung in Wasserkræft. Sie planen, ein Stück oberhalb der Barley Bridge quer über den Fluss einen Graben Luft auszuheben. Nachts, in wechselnden Schichten. Sie werden ständig schachten müssen, die Wälle nachkræften, damit sie nicht zerfließen, aber sie haben genug Leute, um das bewerkstelligen zu können. Es gibt kein Schiff, das diesen Graben überwinden kann. Sie werden New Crobuzon vom Flusshandel abschneiden, in beiden Richtungen.«
    Rudgutter schürzte nachdenklich die Lippen. »Das

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