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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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können wir nicht dulden«, sagte er nüchtern. »Wie steht es mit den menschlichen Dockarbeitern?«
    »Der zweite Punkt, den ich ansprechen wollte«, antwortete Rescue sofort. »Besorgniserregend. Die anfängliche Feindseligkeit scheint zu schwinden. Es gibt eine wachsende Fraktion, die nicht übel Lust zu haben scheint, mit den Vodyanoi gemeinsame Sache zu machen.«
    »Nein, nein, nein!« Rudgutter schüttelte den Kopf wie ein Lehrer, der einen normalerweise verlässlichen Schüler korrigiert.
    »Leider doch. Zwar sind unsere Agenten im Lager der Menschen stärker als die xenianischen, und die meisten sind immer noch antagonistisch eingestellt oder wenigstens unentschlossen, doch es scheint einen richtungsbestimmenden Kern zu geben, Ansätze von Fraternisation, wenn Sie so wollen – geheime Zusammenkünfte mit Streikenden und so weiter.«
    Rudgutter legte die Hände auf den Tisch und studierte die Maserung des Holzes zwischen den gespreizten Fingern.
    »Sind welche von Ihren Leuten am Ball?«, fragte er halblaut.
    Rescue nestelte an seinem Schal. »Einer bei den Menschen. Bei den Vodyanoi ist Tarnung schwierig, zumal sie im Wasser normalerweise nackt sind.«
    Rudgutter nickte.
    Beide Männer hingen eine Weile schweigend ihren Gedanken nach.
    »Wir haben versucht, dem Problem von innen beizukommen«, meinte Rudgutter schließlich. »Das ist der bei weitem schlimmste Streik seit – seit einem Jahrhundert. Auch wenn es mir noch so sehr widerstrebt, es scheint, dass wir ein Exempel statuieren müssen …«
    Rescue nickte mit ernster Miene.
    Eins der Sprachrohre auf dem Tisch blaffte. Der Bürgermeister hob irritiert die Augenbrauen und zog den Stöpsel heraus.
    »Davinia?«, fragte er. Sein Tonfall war ein Meisterstück der Mehrdeutigkeit. Mit diesem einen Wort gab er seiner Sekretärin zu verstehen, wie sehr es ihn überraschte, dass sie ihn entgegen seiner ausdrücklichen Anweisung in einer Besprechung störte, doch er habe großes Vertrauen in ihr Urteilsvermögen und sei überzeugt, es gebe einen triftigen Grund, den sie ihm am Besten jetzt schleunigst mitteilte.
    Aus dem Rohr drangen hohle, abgehackte Laute.
    »Aber ja!«, rief der Bürgermeister leutselig aus. »Freilich, freilich.« Er schloss das Rohr und schaute Rescue an. »Das trifft sich gut. Es ist die Frau Innenminister.«
    Einer der mächtigen Türflügel öffnete sich einen Spalt breit, die Ministerin trat ein und grüßte mit einem leichten Kopfnicken.
    »Eliza«, sagte Rudgutter. »Setzen Sie sich doch zu uns.« Er deutete einladend auf einen Stuhl neben Rescue.
    Eliza Stem-Fulcher durchquerte den Raum. Ihr Alter ließ sich nur schwer schätzen. Das Gesicht war nahezu faltenlos, die prägnanten Züge passten zu einer Mittdreißigerin. Allerdings war ihr Haar schlohweiß, nur vereinzelte dunkle Fäden deuteten an, dass es früher einmal eine andere Farbe gehabt hatte. Ihr dunkler Hosenanzug war in Schnitt und Farbe mit Bedacht nach dem Muster einer Militäruniform gewählt. Sie rauchte eine weiße Tonpfeife mit fast fünfzig Zentimeter langem Stiel. Der Tabak war aromatisiert.
    »Bürgermeister Rudgutter. Mr. Rescue.« Sie setzte sich und zog eine Aktenmappe unter dem Arm hervor. »Verzeihen Sie, dass ich unangemeldet störe, Bürgermeister. Aber ich halte das hier für so wichtig, dass Sie es sofort sehen sollten. Sie auch, Rescue. Ich bin froh, Sie hier zu treffen. Sieht aus, als steckten wir in einer üblen Bredouille.«
    »Zu dem Schluss sind wir auch soeben gekommen, Eliza«, sagte Rudgutter. »Wir reden doch von dem Hafenarbeiterstreik?«
    Stem-Fulcher schaute ihn an, während sie einige Blätter aus der Mappe zog. »Nein, Bürgermeister. Wir reden über etwas gänzlich anderes.« Ihre Stimme klang metallisch.
    Sie warf einen Polizeibericht auf den Tisch. Rudgutter schob die zusammengehefteten Blätter schräg zwischen sich und Rescue, beide Männer legten den Kopf schief, um gleichzeitig zu lesen. Nach einer Minute blickte Rudgutter auf.
    »Zwei Leute in einer Art Koma. Merkwürdige Umstände. Ich nehme an, Sie haben mir mehr zu zeigen als das?«
    Stem-Fulcher reichte ihm ein weiteres Schriftstück. Wieder lasen er und Rescue gemeinsam. Diesmal erfolgte die Reaktion prompt. Rescue zischte und biss sich auf die Innenseite der Wange, während Rudgutter ächzend für einen Moment die Augen schloss.
    Die Innenministerin musterte sie unbewegt. »Offenbar wusste unsere Informantin in Vielgestalts Büro nicht, worum es ging. Sie ist vollkommen

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