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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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nach oben unterschätzt hatte. Er war mehr als nur ein Jasager.
    »Vermishank hat die – Gierfalter verkauft?«, fragte er weiter.
    Barbile nickte. Draußen war Wind aufgekommen, der an den Fensterläden rüttelte. Mr. X schaute sich nach dem Klappern um, die anderen konzentrierten sich auf Barbile.
    »Ich nahm mit Flex Verbindung auf, weil ich fand, es war nicht recht«, sagte sie. »Aber etwas ist schief gegangen – die Falter sind entwischt. Die Götter allein wissen wie.« Ich weiß wie, dachte Isaac grimmig. Meine Schuld. »Habt ihr eine Ahnung, was es bedeutet, dass sie los sind? Wir sind nichts anderes als Beute für sie. Und wegen des Artikels im Lauffeuer dachte die Miliz, Flex hätte etwas damit zu tun – und von ihm kommen sie dann früher oder später auf mich …« Barbile brach wieder in Tränen aus. Derkhan wandte angewidert den Blick ab; sie musste an Ben denken.
    Mr. X ging zum Fenster, um die Läden festzumachen.
    »Möglich, aber wir wollen nur wissen …« Isaac bemühte sich, seine Gedanken zu sortieren. Es gab tausend Dinge, die er gern gefragt hätte, aber dieser eine Punkt war wichtiger als alles andere. »Doktor Barbile – wie kann man sie wieder einfangen?«
     
    Barbile schüttelte den Kopf. Ihr Blick wanderte zwischen Isaac und Derkhan hin und her, die zu ihr herabgebeugt standen wie besorgte Eltern, vorbei an Lemuel, der sich abseits hielt, als ginge ihn das Ganze nichts an, und fand Halt am breiten Rücken von Mr. X, der das Fenster ein wenig geöffnet hatte und den Arm hinausstreckte, um nach den Läden zu greifen.
    Er stand ganz still und schaute nach draußen.
    Magesta Barbile sah über seine Schulter hinweg eine flackernde Melange mitternächtlicher Farben.
    Ihre Augen wurden starr. Ein unsäglicher Schreck schnürte ihr die Kehle zu.
    Etwas schlug flatternd gegen die Scheiben, wollte zum Licht.
    Barbile stand langsam auf, während Lemuel und Derkhan und Isaac herandrängten und fragten, was los sei, was sie habe. Die Wissenschaftlerin streckte die zitternde Hand aus und zeigte auf die regungslose Gestalt von Mr. X.
    »O Jabber«, flüsterte sie tonlos. »O gütiger Jabber, es hat mich gefunden, es hat mich gewittert …«
    Dann fuhr sie auf dem Absatz herum. »Der Spiegel!«, schrie sie, »schaut in den Spiegel!«, in einem Tonfall, der Fragen im Keim erstickte und keinen Widerspruch aufkommen ließ. Sie gehorchten. Nicht einer folgte dem instinktiven Drang, sich umzudrehen und zu sehen, was es gab. Alle vier starrten in den Spiegel hinter dem zerschlissenen Sofa, gebannt von den Vorgängen in ihrem Rücken.
    Mr. X trat mit den hölzernen Schritten eines Zombies vom Fenster fort.
    Draußen in der Dunkelheit ein Wellenschlag mitternächtlicher Farben. Ein grausiges, unbestimmtes Etwas, das weit ausgebreitet vor dem Fenster hing, raffte und faltete sich zusammen, um den von Massen loser Haut und bizarrer Auswüchse umbündelten Rumpf durch die kleine Öffnung zu zwängen. Ein runder, augenloser Kopf schob sich in den Raum und bewegte sich langsam von einer Seite zur anderen. Man hatte den Eindruck einer perversen Geburt. Das Wesen, das halb ins Zimmer ragte, hatte sich klein und schmal gemacht, indem es sich in nicht erkennbare, allen Vorstellungen von möglich und unmöglich spottende Richtungen minimierte. Von der Anstrengung unwirklich schimmernd, schob es den glänzenden Leib durch das Viereck; aus der Formlosigkeit lösten sich Arme, die drückend und stemmend nachhalfen.
    Hinter den Scheiben wallten und bauschten sich die halb verborgenen Schwingen.
    Die Kreatur schob sich mit einem heftigen Ruck weiter und das Fenster zerbrach. Es gab nur ein gedämpftes, trockenes Geräusch, als wäre die Luft aller Substanz beraubt. Scherben spritzten durch den Raum.
    Isaac zitterte am ganzen Leib, doch er konnte den Blick nicht abwenden.
    Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, dass es Derkhan und Lemuel und Barbile nicht anders ging. Das ist Wahnsinn!, dachte er. Wir müssen weg hier! Er zupfte Derkhan am Ärmel und bewegte sich seitwärts gehend langsam in Richtung Tür.
    Barbile machte keine Anstalten, ihnen zu folgen, sie wirkte wie versteinert. Lemuel zog sie mit.
    Keiner wusste, weshalb es so wichtig war, in den Spiegel zu schauen, aber keiner drehte sich um.
    Dann aber, auf ihrem bangen Weg zur Tür, erstarten sie wieder, denn die Kreatur im Zimmer richtete sich auf.
     
    Wie eine sich entfaltende Blüte erhob sich das Wesen hinter ihnen und füllte den ganzen Spiegel.
    Sie sahen den

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