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Perdido Street Station 02 - Der Weber

Perdido Street Station 02 - Der Weber

Titel: Perdido Street Station 02 - Der Weber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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selbstvergessenem Entzücken auf das groteske Wesen, den Sturm der Farben. Vielgestalt und sie, Peiniger und Opfer unter dem gleichen Bann, starrten beide auf die Flügel des Gierfalters und ihr Geist begann zu schäumen. Schäumte über.
    Isaac brüllte Warnungen, Bitten, Beschwörungen mit aller Kraft seiner Lungen, ging stolpernd rückwärts und streckte die Hände nach Lin aus.
    Der Gierfalter kam ihm zuvor; mit gleich mehreren schlangenähnlichen Tentakel umschlang er sie und zog sie an sich. Sein ungeheures, sabberndes Maul klappte auf wie der Torweg zu einem stygischen Abgrund. Ranziger zitroniger Speichel tropfte auf Lins Käferkopf.
    Gerade, als Isaac ihre Hand greifen zu können glaubte, um sie wegzureißen, schnellte die ellenlange Zunge des Gierfalters aus seinem stinkenden Schlund und schleckte zärtlich über ihre Fühler, die Augen, den Rückenschild. Isaac schrie wieder und wieder seine Warnung, doch er konnte es nicht verhindern.
    Die speichelschlüpfrige Zunge schmeichelte sich an Lins Mundwerkzeugen vorbei und stieß in ihren Kopf.
     
    Angestachelt von Isaacs verzweifeltem Gebrüll, reckten zwei der Remade hinter Vielgestalt sich über seine ungeschlachte Gestalt hinweg und feuerten aufs Geratewohl ihre Vorderlader ab. Ein Schuss ging ins Leere, der andere streifte den Hals des Gierfalters, entriss ihm einen Spritzer Körpersaft und ein gereiztes Zischen. Die Waffen taugten nicht, ihn ernsthaft zu verletzen oder gar zu töten.
    Die beiden, die geschossen hatten, ermunterten ihre Kameraden zu handeln; die kleine Truppe stemmte sich gegen Vielgestalts Masse und schob, in kleinen Rucken und mit allem gebührenden Respekt.
    Isaac bemühte sich, Lins Hand zu ergreifen.
    Man sah den Kehlsack des Gierfalters schwellen und schrumpfen, schwellen und schrumpfen, während er in großen Schlucken trank.
    Yagharek bückte sich nach der Öllampe am Fuß der Statue. Er wog sie kurz in der Hand, hob mit der Rechten die Peitsche.
    »Pack sie, Isaac«, rief er.
    Eben als der Gierfalter Lins schmächtigen Körper liebevoll an die Brust drückte, spürte Isaac, wie seine Finger sich um ihr Handgelenk schlossen. Er fasste zu und bemühte sich, unter Tränen grässlich fluchend, sie der verhängnisvollen Umarmung zu entreißen.
    Yagharek schleuderte die Lampe gegen den Hinterkopf des Gierfalters. Das Glas zerbrach, glosendes Petroleum spritzte und ein blaues Flammentuch breitete sich über das Schädeldach.
    Der Gierfalter quiekte. Ein Strauß von Gliedmaßen schoss aus der undurchschaubaren Anatomie, um das kleine Feuer auszuschlagen, während der Falter schmerzgepeinigt den Kopf nach hinten warf. Augenblicklich ließ Yagharek die Peitschenschnur fliegen. Sie klatschte laut und dramatisch gegen die schwarze Haut, Schlingen aus geflochtenem Leder ringelten sich um den Hals des Falters.
    Yagharek nahm mit gespreizten Beinen festen Stand, lehnte sich zurück und zog, mit seiner ganzen drahtigen Kraft.
    Das kleine Feuer waberte immer noch, schmerzhaft, lästig. Die Peitsche schnürte dem Gierfalter die Kehle zu, er konnte weder schlucken noch atmen.
    Sein Kopf ruckte auf dem langen Hals, er stieß erstickte, fiepende Laute aus. Seine Zunge schwoll an, er riss sie aus Lins Mund. Was er von ihrem Bewusstsein hinuntergeschlungen hatte, staute sich in seinem Schlund. Der Falter krallte nach den würgenden Schlingen, nach dem heimtückischen Angreifer, schüttelte sich wild.
    Isaac hielt Lins dünnes Handgelenk umklammert, zerrte an ihr, während der Falter sich in Panik wand, in seiner Not die Beute fahren ließ und stattdessen vergeblich an der Schlinge riss, die ihm die Luft abschnürte. Isaac zog Lin mit sich auf den Boden und hinter sich her in verhältnismäßige Sicherheit, weg von der tobenden Kreatur.
    In Todesangst schlug der Falter mit den Flügeln, drehte sich wild im Kreis, und die Macht seiner Schwingen war gebrochen. Sofort erwachte Vielgestalt aus der Trance, sein hybrider Körper wankte und sank zu Boden, während die aufgewühlte Masse seines Verstandes wieder zusammenschwappte. Seine Männer sprangen über ihn hinweg, drängten an einem Knäuel seiner Beine vorbei auf den Kampfplatz.
    Mit grässlich trommelnden Füßen wirbelte der Gierfalter im Kreis herum und herum. Die Peitsche wurde Yagharek aus den blutigen Händen gerissen. Er stolperte nach hinten, gegen Derkhan und aus der Reichweite der mörderischen, wirbelnden Gliedmaßen des Falters.
    Vielgestalt hatte sich erhoben. Er stapfte eilig aus dem

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