Perdido Street Station 02 - Der Weber
durch ledrige Haut und einen Flecken Fell. Mit einem bellenden Schmerzenslaut taumelte Vielgestalt auf zahlreichen Beinen zurück.
Der Aufschrei wurde zu einem hämischen Lachen.
»Viel zu viele innere Organe, um mich ernsthaft zu verletzen, du dämliche Schlampe«, höhnte er. Derkhan knurrte wütend und suchte Rückendeckung an der Wand.
Isaac starrte Vielgestalt an, sah in einer Unzahl Münder Zähne fletschen. Der Boden erzitterte, als Leute durch den Flur stürmten.
Männer erschienen hinter Vielgestalt in der Türöffnung, schwenkten ihre Waffen, warteten unschlüssig auf weitere Befehle. Isaac wurde flau im Magen. Die Männer hatten keine Gesichter, Haut spannte sich straff über glatte Schädel. Was für eine Sorte Remade ist das?, dachte er beklommen. Dann fielen ihm die Spiegel auf, die sich von den Helmen nach hinten bogen.
Seine Augen wurden groß, als ihm aufging, dass dies kahl geschorene Remade waren, die Köpfe um 180 Grad verdreht aufgesetzt, eigens für den Umgang mit Gierfaltern geschaffen und perfektioniert. Sie warteten jetzt auf eine Anweisung ihres Chefs, die muskelbepackten Körper Isaac zugewandt, während die Gesichter dauerhaft in die entgegengesetzte Richtung schauten.
Eine von Vielgestalts Gliedmaßen – ein hässliches, segmentiertes, mit Saugnäpfen besetztes Ding – schnellte vor und zeigte auf Lin.
»Bring deine gottverdammte Arbeit zu Ende, Kerfenhure, oder du weißt, was dir blüht!«, schnauzte er und watschelte/schlurfte/humpelte auf Lin und Isaac zu.
Mit einem Aufbrüllen, das nichts Menschenähnliches hatte, stieß Isaac Lin zur Seite. Sie versprühte eine Fontäne chymischer Verzweiflung. Mit fliegenden Händen beschwor sie ihn, bei ihr zu bleiben, doch er stürzte sich in einem Aufruhr aus Schuldgefühl und Wut auf ihren Peiniger.
Vielgestalt warf sich ihm mit einem wortlosen Röhren entgegen.
Ein plötzliches lautes Klirren. Ein Hagelschauer aus Glassplittern spritzte durch den Raum, Blut und Flüche im Gefolge.
Isaac erstarrte mitten in der Bewegung, den zur Salzsäule gewordenen Vielgestalt vor sich. Die Leibwächter brachten ihre Waffen in Anschlag, Befehle schwirrten durch den Flur. Isaac richtete den Blick in seine Helmspiegel.
Der letzte Gierfalter stand hinter ihm, eingerahmt von den geborstenen Stümpfen des Fensterrahmens, Glas rieselte von ihm herab wie eine zähe Flüssigkeit.
Isaac rang nach Atem.
Das riesige, unbeschreiblich grauenerregende Geschöpf stand oder hockte auf verschiedenen Extremitäten wenige Schritte vor der Wand und der Fensteröffnung. Es war massig wie ein Gorilla, umwittert von einer Aura der Unzerstörbarkeit und schwelender Brutalität.
Seine unbeschreiblichen Schwingen waren weit geöffnet; Muster erblühten darauf wie negatives Feuerwerk.
Vielgestalt, der genau zum Fenster geschaut hatte, stand unter ihrem Bann. Mit Reihen glasiger Augen stierte er auf die Falterflügel, während hinter ihm seine Remade brüllten und mit ihren Waffen fuchtelten.
Yagharek und Derkhan hatten an der Wand gestanden und befanden sich hinter der Kreatur; sie sahen nur die Rückseite der hypnotischen Schwingen. Isaac konnte in seinen Spiegeln erkennen, dass sie vor Schreck starr waren, aber Herr ihrer Sinne.
Zwischen dem Falter und Isaac, wo sie sich vor dem Splitterregen des Fensters geduckt hatte, kauerte Lin.
»Lin!«, schrie Isaac verzweifelt. »Nicht umdrehen! Sieh dich nicht um! Komm her! Komm zu mir!«
Lin stutzte bei dem panikerfüllten Ton seiner Stimme. Sie sah ihn die Hand nach hinten strecken und mit aufreizend ungeschickten Bewegungen rückwärts gehend näher kommen.
Sie kroch ihm langsam, unschlüssig entgegen.
Hinter sich vernahm sie ein gedämpftes tierhaftes Knurren.
Der Gierfalter richtete sich auf, kampfbereit, aber weniger siegessicher als bei früheren Beutezügen. Er konnte ringsherum denkende Wesen wahrnehmen, die sich unruhig bewegten, ihn bedrohend und ihn fürchtend.
Er war verunsichert, immer noch erschüttert von dem Gemetzel an seinen Geschwistern. Einer seiner gezackten Tentakel peitschte den Boden wie ein Schweif.
Eins der Gehirne vor ihm war gefangen. Aber hatte er seine Schwingen nicht weit ausgebreitet und doch nur einen von vielen in seinem Bann? Er war verwirrt. Er machte Front zu dem Pulk seiner Feinde, er fächelte hypnotisch mit den Schwingen, um sie willenlos zu machen und ihre Träume wie schäumenden Wein an die Oberfläche zu locken.
Sie ergaben sich nicht.
Der Gierfalter geriet in
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