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Perdido Street Station 02 - Der Weber

Perdido Street Station 02 - Der Weber

Titel: Perdido Street Station 02 - Der Weber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Schussgeräte überprüften und Spiegel blank polierten.
    Ein Stück entfernt von Strack Island, hinter dem Zusammenfluss von Tar und Canker, lag ein kleines, isoliertes Eiland, manchmal Little Strack genannt, doch auf den amtlichen Karten ohne Namen. Es war ein Rhombus aus Gestrüpp, Baumstümpfen und alten Tauen, und diente, sehr selten, in Notfällen, als behelfsmäßiger Anlegeplatz. Es gab kein Licht. Keine Verbindung mit der Stadt. Keinen Geheimgang zum Parlament. Kein Boot lag am morschen Pier.
    Und doch erfuhr in dieser Nacht die graswispernde Stille eine Unterbrechung.
    MontJohn Rescue stand in der Mitte einer kleinen Gruppe schweigsamer Gestalten. Ringsum die gespenstisch verfremdeten Silhouetten von Zwergbanyans und Wiesenkerbel. Hinter Rescue bäumte sich die Obsidianfontäne des Parlaments in den Nachthimmel. Die Fenster glühten. Das lispelnde Murmeln des Wassers dämpfte die nächtlichen Laute.
    Rescue trug wie gewöhnlichen einen akkuraten Geschäftsanzug. Er ließ den Blick langsam in die Runde wandern, über die bunte Gesellschaft, die sich eingefunden hatte. Außer ihm gab es noch sechs Menschen, eine Khepri und einen Vodyanoi. Dann noch einen großen, wohlgenährten Rassehund. Menschen wie Xenianer schienen dem gehobenen Mittelstand anzugehören, bis auf einen Straßenkehrer – Remade – und einen zerlumpten kleinen Jungen. Unter den Übrigen befanden sich eine ältere Dame in verblasstem Sonntagsstaat und ein attraktives junges Fräulein. Ein muskulöser Mann mit Bart sowie ein dünner, bebrillter Schreiber.
    Alle verhielten sich unnatürlich still. Alle trugen wenigstens ein voluminöses oder verhüllendes Kleidungsstück. Der Lendenschurz des Vodyanoi war mindestens doppelt so groß wie üblich, und sogar der Hund schmückte sich mit einer absurden kleinen Weste.
    Aller Augen hingen unverwandt an Rescue, der sich umständlich den Schal vom Hals wickelte.
    Als die letzte Schicht Baumwolle entfernt war, regte sich darunter ein dunkles Etwas.
    Ein Etwas, das sich an Rescues Haut schmiegte. Es sah aus wie eine menschliche rechte Hand. Die Hautfarbe war ein intensives Blaurot. Hinter dem Gelenk verspitzte es sich zu einem knapp anderthalb Meter langen Schwanz, schlangenähnlich. Dieser Schwanz wand sich um Rescues Hals und bohrte sich, schleimig, glitschig, in sein Fleisch – das Ende sah man unter der Haut pulsieren.
    Die Finger der Hand zuckten, festigten ihren Griff.
    Gleich darauf entkleideten sich auch die übrigen Anwesenden. Die Khepri knöpfte ihre Pluderhose auf, die alte Dame ihr Mieder. Bei jedem kam unter verhüllendem Stoff eine lebendige Hand zum Vorschein, deren Schlangenschwanz sich unter der Haut wölbte, während die Finger sich leicht bewegten, als spielten sie auf den Nervenenden der Wirte wie auf einem Piano. Hier haftete sie an der Innenseite eines Oberschenkels, dort an der Taille, dort am Skrotum. Sogar der Hund kämpfte mit seiner Weste, bis der Straßenjunge ihm half, das lächerliche Ding abzulegen. Auch hier kam ein abstoßender Handtumor zum Vorschein, der sich an den haarigen Leib des Tieres krallte.
    Es waren fünf rechte Hände und fünf linke, agil, sich windend, Haut fleckig, ledrig.
    Die Menschen und Xenianer und der Hund rückten dichter zusammen, bildeten einen engen Kreis. Auf ein Zeichen Rescues zogen sich die dicken Schwänze mit einem schlürfenden Plopp! aus dem Fleisch der Wirte. Diese, die Menschen, der Vodyanoi, die Khepri, der Hund, zuckten ein wenig und schwankten, Münder klappten auf, Augen flackerten hysterisch. Aus den Löchern in ihrem Fleisch quoll dunkles Sekret, dick und zäh wie Harz. Die blutbeschmierten Schwänze wedelten durch die Luft – fette, blinde Würmer. Sie reckten sich in die Höhe und umschlangen sich gegenseitig.
    Die Wirtskörper neigten sich zueinander wie bei einer seltsamen, verstohlenen Begrüßung. Sonst verhielten sie sich vollkommen still.
    Die Handlinger hielten Kriegsrat.
     
    Die Handlinger standen für Perfidie und Korruption, ein dunkler Fleck auf dem Blatt der Geschichte. Unverständlich und geheimnisumwittert. Mächtig. Parasitär.
    Sie inspirierten Gerüchte und Schauermären. Man erzählte sich, die Handlinger wären die Geister übel wollender Verstorbener. Sie wären eine Strafe für unbereute Sünden. Dass, wenn ein Mörder sich selbst tötet, seine schuldigen Hände sich drehen und wenden, die verwesende Haut zerreißen und davonkrabbeln – dass auf diese Weise Handlinger geboren werden.
    Es gab viele

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