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Perdido Street Station 02 - Der Weber

Perdido Street Station 02 - Der Weber

Titel: Perdido Street Station 02 - Der Weber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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zuckte, als stünde er kurz vor einem Nervenzusammenbruch; seine Haut wirkte nekrotisch, wie mit Wundbrand infiziert.
    Doch was den Betrachtern den Atem stocken ließ und ihnen kalte Schauer über den Rücken jagte, war der Kopf.
    Unmittelbar über den Augen war das Schädeldach abrasiert. Unter dem glatten, säuberlichen Schnitt sah man einen schmalen Saum aus geronnenem Blut. Aus der feucht glänzenden Höhlung bäumte sich ein zwei Finger dickes Kabel, ummantelt von einer Metallspirale, dessen hiesiges Ende blutig, rotsilbern in die Tiefe der leeren Hirnschale tauchte.
    Das andere Ende befand sich irgendwo hoch über ihnen. Isaac, fassungslos, staunend, ließ die Augen an dem Kabel hinaufwandern, Meter um Meter, bis zu den gespreizten Fingern des Konstrukts. Es lief durch die Hand des Schrottriesen und verschwand endlich irgendwo in dessen Eingeweiden.
    Das Grundgerüst der künstlichen Hand schien ein großer Schirm zu sein, auseinander genommen und neu verdrahtet, verknüpft mit Kolben und Kettensehnen. Sie öffnete und schloss sich wie eine riesige skelettierte Kralle, gab nach und nach Kabel aus, sodass die Schreckensgestalt buchstäblich an der kurzen Leine auf die Eindringlinge zustolperte.
    Isaac wich instinktiv zurück, Lemuel und Derkhan, sogar Yagharek, folgten seinem Beispiel, doch schon nach einem Schritt rückwärts stießen sie gegen eine Mauer aus fünf massigen Konstrukten, die hinter ihnen Aufstellung genommen hatten.
    Isaac wandte erschreckt den Kopf, dann schaute er rasch wieder auf den Zombie, der wankend Fuß vor Fuß setzte.
    Die Miene grauenerfüllter Konzentration auf dem Gesicht des toten Mannes blieb unverändert, als er in einer väterlichen Gebärde die Arme ausbreitete.
    »Willkommen, ihr alle«, sagte er mit seiner dünnen Stimme, »geehrte Gäste des Konstrukt Konzils.«
     
    MontJohn Rescues Körper fuhr mit großer Geschwindigkeit durch die Luft. Der namenlose Dextrier-Handlinger, der von ihm Besitz ergriffen hatte – ein Parasit, der von sich selbst, nach all den vielen Jahren, als MontJohn Rescue dachte – überwand seine Angst davor, sich blind den Kommandos seines Sinistrals anvertrauen zu müssen. In aufrechter Haltung, die Arme vor der Brust gekreuzt, in einer Hand die Pistole, durchpflügte er die Luft. Rescue sah aus, als stünde er still und wartete auf etwas, während um ihn der Nachthimmel vorüberzog.
    Der Sinistral in dem Hund auf seinem Rücken hatte die Tür zwischen ihren Bewusstseinen geöffnet und hielt einen ständigen Informationsfluss aufrecht.
    links halten tiefer schneller steigen und jetzt rechts links schneller schneller sinken gleiten kreisen, kommandierte der Sinistral und streichelte das Bewusstseinsinnere des Dextriers, um ihn zu beruhigen. Blind zu fliegen war neu und angsteinflößend, aber sie hatten gestern geübt, unbeobachtet, an einem geheimen Platz in den Bergen, wohin sie von einem Milizluftschiff gebracht worden waren. Der Sinistral hatte sich darin geschult, seitenverkehrt zu denken und nichts ungesagt zu lassen.
    Der Rescue-Handlinger übte sich in aggressivem Gehorsam. Er war ein Dextrier, Soldatenkaste. Er verlieh seinem Wirt enorme Kräfte, arkane Fähigkeiten – fliegen und Stichflammen. Doch ungeachtet selbst der politischen Macht, über die dieser spezielle Dextrier als Repräsentant der Handlinger bei der Regierung gebot, ordnete er sich der Aristokratenkaste unter, den Sehern, den Sinistrals.
    Es nicht zu tun, hätte eine vernichtende psychische Bestrafung herausgefordert: Die Sinistrals konnten, wenn sie es für angemessen hielten, die Assimilationsdrüse des ungehorsamen Dextriers lahm legen, seinen Wirt töten und ihn der Fähigkeit berauben, einen anderen in Besitz zu nehmen, sodass er auf eine blinde, suchende Nur-Hand reduziert war, ohne ein Medium, durch welches er kommunizieren und agieren konnte.
    Der Dextrier überlegte mit einer wachen, scharfen Intelligenz.
    Es war von größter Wichtigkeit gewesen, dass es dem Rescue-Handlinger gelang, die Sinistrals von seiner Sicht der Dinge zu überzeugen. Hätten sie Rudgutters Pläne abgelehnt, wäre er als Dextrier machtlos gewesen: Nur die Sinistrals waren befugt, Entscheidungen zu treffen. Aber die Regierung zu brüskieren wäre der Anfang vom Ende der Handlinger in der Stadt gewesen. Sie besaßen Einfluss, aber als kleinste der Minderheiten existierten sie nur mit Duldung der maßgeblichen Stellen. Die Regierung tolerierte sie, solange sie sich als nützlich erwiesen. Nach

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