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Perdido Street Station 02 - Der Weber

Perdido Street Station 02 - Der Weber

Titel: Perdido Street Station 02 - Der Weber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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schlüpfte in die Düsternis des ausgebrannten Gemäuers.
    Isaac und Derkhan hockten vor ihm, Yagharek und die drei Aventuriers. Hinter ihnen lag ein Haufen Sperrmüll, Röhren und Leitungsdrähte, die Klammern von Retortenständern, Glasmurmeln. Lemuel wusste, wenn sie Anstalten machten aufzubrechen, würden aus dem Sammelsurium fünf Affenkonstrukte entstehen.
    »Nun?«, fragte Isaac drängend.
    Lemuel nickte. »Meine Informationen waren zutreffend«, sagte er nüchtern. »Da ist ein breiter Spalt ganz oben auf der Kuppel, im nordöstlichen Quadranten. Von meiner Position aus war die Größe schlecht zu beurteilen, aber ich schätze ihn auf zwei mal anderthalb Meter. Ich habe mich ziemlich genau umgesehen, und das war der einzige Riss, durch den eine annähernd mannsgroße Kreatur sich hindurchzwängen könnte. Habt ihr den Sockel kontrolliert?«
    Derkhan zuckte die Schultern. »Nichts«, erklärte sie. »Natürlich, jede Menge kleine Risse, sogar ein paar Felder, wo das Glas herausgefallen ist, besonders weiter oben, aber keins von den Löchern war groß genug. Ich wette, du hast dasjenige welche gefunden.«
    Isaac und Lemuel nickten.
    »So kommen sie also hinein und hinaus«, meinte Isaac nachdenklich. »Mir scheint, die beste Art, sie aufzuspüren, wäre, ihren Weg nachzuvollziehen. Ich sage es nur ungern, Freunde, aber ich glaube, wir müssen da hinauf. Wie sieht es drinnen aus?«
    »Man kann nicht allzu viel sehen. Das Glas ist dick, alt und verdammt dreckig. Wahrscheinlich reinigen sie es nur alle drei oder vier Jahre mal. Die Umrisse von Häusern und Straßen und so weiter sind zu erkennen, aber damit hat es sich. Man müsste schon drinnen sein, um sich ein genaues Bild zu machen.«
    »Wir können nicht alle da raufkraxeln«, warf Derkhan ein. »Viel zu auffällig. Wir hätten Lemuel bitten sollen, dass er durch das Loch hineinsteigt und sich umsieht, er ist der richtige Mann dafür.«
    »Ich hätte es nicht getan«, antwortete Lemuel steif. »Ich fühle mich nicht wohl so hoch oben, und schon gar nicht habe ich Lust, kopfunter in ein paar Hundert Metern Höhe über dreißigtausend nach meinem Blut lechzenden Kaktusleuten zu baumeln.«
    »Dann eben nicht.« Derkhan machte keinen Hehl aus ihrem Unmut. »Irgendwelche Alternativen? Wir könnten warten, bis es dunkel ist, aber dann werden diese verdammten Falter aktiv. Oder wir steigen einzeln nach oben, nacheinander. Vorausgesetzt, es ist sicher. Jemand müsste als Erster gehen …«
    »Ich gehe«, sagte Yagharek.
    Schweigen. Isaac und Derkhan starrten ihn an.
    »Großartig«, frotzelte Lemuel und klatschte zweimal in die Hände. »Dann wäre das geklärt. Du wirst also hinaufsteigen und dich für uns umsehen, uns ein Zeichen geben …«
    Isaac und Derkhan ignorierten Lemuel, sie starrten immer noch Yagharek an.
    »Es ist richtig, dass ich gehe«, sagte der Garuda. »Ich fühle mich zu Hause hoch über der Erde.« Ein Schwanken in seiner Stimme ließ eine heftige Gemütsbewegung ahnen. »Ich fühle mich zu Hause hoch über der Erde und ich bin ein Jäger. Ich habe das Auge, um zu sehen und zu erkennen, wo die Falter sich verbergen.«
     
    Yagharek nahm denselben Weg, auf dem Lemuel die Hülle des Glashauses erstiegen hatte.
    Er hatte die eklen Lumpen von den Füßen gewickelt und seine Krallen, endlich befreit, reckten sich in einem genussvollen Reflex. Dann war er unter Zuhilfenahme von Lemuels Wurfhaken an dem Metallsockel hinaufgestiegen, um flinker und zielstrebiger weiterzuklettern als der Mensch.
    Immer wieder machte er Halt, richtete sich auf und ließ sich von dem warmen Wind hin- und herstoßen, die Raubvogelklauen fest um die eisernen Leitersprossen gekrallt. Er beugte sich schwindelerregend weit vor und spähte in die dunstige Ferne, spürte, wie der Wind seinen Körper mit den ausgebreiteten Armen füllte wie ein Segel.
    Er tat so, als würde er fliegen.
    An seinem schmalen Gürtel hingen ein Stilett und die Bullpeitsche, die er am vorangegangenen Tag gestohlen hatte. Die Peitsche war plump, nicht annähernd zu vergleichen mit der, die er in der heißen Wüstenluft geschwungen hatte, doch es war eine Waffe, an die seine Hand sich erinnerte.
    Er bewegte sich schnell und trittsicher. Die am Himmel treibenden Luftschiffe waren alle weit entfernt. Er war unentdeckt.
    Vom Dach des Glashauses aus gesehen, lag die Stadt vor ihm wie ein Geschenk, nach dem er nur zu greifen brauchte. Wohin er schaute, stießen Finger, Hände und Fäuste und Spieren aus Stein

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