Perfekte Manner gibt es nicht
viel nach. Manchmal muss man aufhören, nachzudenken und einfach nur leben. «
Bei dem Wort »leben« nahm etwas weitaus Größeres den Platz seiner Finger ein. Lou fand keine Zeit, sich zu überlegen, wie es ihm gelungen war, unbemerkt seine Hose auszuziehen. Nur eins wusste sie: Was sich draußen im Flur drängend an ihren Bauch gepresst hatte, war endlich mit ihr verschmolzen und füllte eine zuvor schmerzliche Leere aus.
Jacks Gewicht – von seiner Erektion ganz zu schweigen – drückte sie in die Matratze. Das gefiel ihr. Und wie es ihr gefiel. Das ließ zumindest die Bereitwilligkeit, mit der sie sich seinem Rhythmus anpasste, erahnen. Bei jeder Bewegung hob sie ihm ihre Hüften entgegen, während seine Lippen ihren Hals liebkosten und seine Hände – oh, seine Hände – ihre Schultern ein wenig hoben, damit er immer tiefer in sie eindringen konnte.
Wahnsinn … Und so wundervoll … Nein, es musste aufhören, sie durfte sich nicht verhalten wie eine atemlose, zitternde Sklavin ihres Verlangens …
Aber – oh, so fantastisch fühlte er sich an. Und was gerade geschah, war stärker als die Stimme in ihrem Gehirn, die ihr zuflüsterte, dass dabei nichts Gutes herauskommen würde.
Endlich wurden all die Stimmen besiegt, die Ratschläge, die sie im Lauf der Jahre gehört hatte, die Warnungen vor bösen Jungs, vor Männern, die alle nur das eine wollten … Jack konnte es gerne haben, solange er nur einfach so weitermachte.
Und dann erreichte sie die Schwelle eines dunklen Abgrunds, so tief, dass sie den Boden nicht sah. Jeden
Moment würde sie hinabstürzen, nur noch eine einzige allerletzte Bewegung …
Jack bewegte sich, und sie fiel, fiel tiefer und tiefer, bis sie erkannte, dass der Boden, der ihr entgegenkam, aus Wasser bestand. Kühle silberne Tropfen küssten ihre nackte Haut, ihren Körper. Und ehe sie sich von der Ekstase erholen konnte, wurde sie von einer neuen überwältigt.
O ja, dachte Lou etwas später, als sie erschöpft dalag und Jacks kraftvolle Herzschläge an ihrem Herzen spürte, böse Jungs machen tatsächlich viel mehr Spaß.
Nach einer Weile hob er den Kopf. »Was war es doch gleich, worüber du vorhin sprechen wolltest?«, fragte er im Plauderton. »Warum wir nicht zusammen sein können?«
27
Acht Etagen unter dem Bett, in dem Lou und Jack lagen – emotional und körperlich erschöpft -, ergriff Frank Calabrese ein Mikrofon. »My love burns for you tonight«, sang er mit seiner erstaunlich wohlklingenden Tenorstimme. »Nothing ever felt this right.«
Vergnügt applaudierte Eleanor Townsend, der einzige andere Gast in der Bar des Anchorage Four Seasons. Sie hatte zuvor noch nie etwas von Karaoke gehört und war erstaunt, dass ein Hotel dieser Klasse so etwas tolerierte. Aber das war schließlich Alaska.
Außerdem fand sie Karaoke sehr amüsant. Schade, dachte sie, dass Jack zu müde war, um mit uns zu essen. Es hätte ihm Spaß gemacht, besonders der Elch-Burger, den sie gegessen hatte – köstlich und so fettarm. Auf Franks Vorschlag hin hatte sie ein Bier dazu getrunken. Das passte wunderbar zusammen.
So wie Frank und Karaoke. »And when my heart fire’s burning«, sang er, »you know, it’s for you I’m yearning.«
Unglücklicherweise hatte Eleanor bei der letzten Zeile einen Schluck Bier genommen. Und als sie verächtlich schnaufte – absurd, dieser Text, und völlig lächerlich, dass er einen Oscar gewonnen hatte -, stieg ihr das Getränk in die Nase.
Großer Gott, sie musste so heftig lachen, dass ihr die Flüssigkeit aus den Nasenlöchern rann. Zum letzten Mal war ihr das als Kind passiert, als sie mit ihren Eltern
in den Adirondacks gezeltet hatte. Verlegen presste sie eine Serviette auf ihre Nase. Zu ihrer Erleichterung schienen weder Frank noch der Barkeeper etwas zu bemerken.
»When the world goes up in flame«, sang Frank und näherte sich dem großen Finale, »and nothing stays the same, I will whisper your name …« Mit einer schwungvollen Geste verstummte er, verneigte sich zum Dank für Eleanors Applaus und kehrte zum Tisch zurück. »Jetzt sind Sie dran.«
»O nein, Frank«, protestierte sie und legte die Serviette beiseite, »ich kann nicht singen.«
»Wen interessiert das schon? Hier, das Textbuch … Sicher kennen Sie einen dieser Songs. Wie wär’s mit dem da? ›You Light Up My Life.‹ Den kennt jeder.«
»O Frank …« Sie lachte wieder, aber diesmal ohne vorher an ihrem Bier zu nippen. »Sie wissen ja gar nicht, was Sie da von mir
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