Perfekte Manner gibt es nicht
noch immer nicht. Gewiss, der Sheriff wollte die Herkunft der.44er feststellen.
Und wenn es ihm nicht gelang? Wenn Jack trotz der Polizeieskorte und des Sicherheitspersonals, das von der Hoteldirektion abkommandiert worden war, ein ähnliches Schicksal erlitt wie der arme Sam?
»Lou?«
Sie blickte von ihren Schuhen zum Gesicht ihres Vaters auf.
»Alles in Ordnung, Schätzchen?«
»Ja«, log sie und riss sich zusammen. »Tut mir leid, ich dachte nur …«
… an Amerikas heißesten Goldjungen . O Gott, wie erbärmlich! Das kam davon, wenn man sich in einen Schauspieler verliebte. Warum hatte sie ihren eigenen Rat nicht befolgt? War sie masochistisch veranlagt? Und dann war da noch dieses andere Problem, das ihr Sorgen bereitete – Jacks Vorschlag, sie sollte zu ihm ziehen … Und die Versuchung, das verlockende Angebot anzunehmen …
Dann glitten die Lifttüren auseinander, und Lous Wangen wurden knallrot. Denn im Flur des achten Stockwerks – es war ihr Stockwerk und nicht Jacks Etage, denn er war auf die zehnte gezogen, nachdem Melanie seine Suite demoliert hatte – stand Amerikas heißester Goldjunge höchstselbst mit seiner Mutter.
»O Frank!«, rief Eleanor Townsend in einem Ton, der Lou überaus freudig erschien. »Und Lou! Wie schön, Sie wiederzusehen! Wir haben gerade an Ihre Tür geklopft, weil wir fragen wollten, ob Sie mit uns zu Abend essen möchten. Aber Sie waren nicht da. Und jetzt treffen wir uns doch noch. Wie wundervoll!«
»Wir waren gerade essen«, sagte Lou hastig und hoffte, weder Jack noch seine Mom würden ihr feuerrotes Gesicht bemerken.
Ihr Vater war etwas höflicher. »Wie schade!«, sagte er mit einer Stimme, die sie bisher nur einmal gehört hatte – oben in der Lord-Suite, bei ihrer Ankunft mit Jack.
Im gleichen, viel zu herzlichen Tonfall hatte er sie Mrs. Townsend vorgestellt. Jack und Lou wechselten nervöse Blicke, doch das Unbehagen sollte sich noch steigern. Denn Eleanor war in ein schrilles Gekicher ausgebrochen, das ihr Sohn offensichtlich noch nicht kannte.
»Gewiss, Mrs. Lords Büfett war nicht übel«, fuhr Frank gut gelaunt fort. »Aber von Rohkost allein kann ein Mann nicht leben, nicht wahr, Jack?«
»Genau«, bestätigte Jack lächelnd. »In der Tat, wirklich schade, es wäre so nett, wenn Sie uns Gesellschaft leisten würden.«
»O ja«, bekräftigte Eleanor eifrig. »Vielleicht bei einer Tasse Kaffee …«
»Sehr gern.« Frank ließ die Lifttür los, die er für Eleanor aufgehalten hatte. »Damit bist du doch einverstanden, Lou?«
Aber Lou beachtete ihn nicht, weil ihr etwas auffiel. Jack und seine Mutter standen ganz allein im Flur des achten Stockwerks. Plötzlich vergaß sie, dass sie rot geworden war und bloß keine Aufmerksamkeit auf sich lenken wollte. »Wo ist der Officer?« Anklagend wandte sie sich zu Jack. »Der dich beschützen soll?«
Er grinste sie an, mit diesem besonderen elektrisierenden Glanz in den blauen Augen, den sie noch nie richtig hatte deuten können. »Heute Abend habe ich Officer Juarez freigegeben.«
»O Jack …«, stöhnte sie und hatte das Gefühl, ihr Kopf würde explodieren. »Der Sinn eines Polizeischutzes liegt in einer vierundzwanzigstündigen Bewachung. Du kannst doch die Leute nicht einfach wegschicken. Wenn du hier überfallen wirst …«
»Wir gehen doch nur nach unten ins Hotelrestaurant.«
»Und im Hotelrestaurant darf etwa nicht geschossen werden? Gehört das zur Philosophie des Hauses?«
Jack lächelte seiner Mutter und Lous Vater entschuldigend zu. Da erst merkte Lou, dass die beiden sie anstarrten. Nun ja, sie und Jack genau genommen.
»Geht ihr zwei schon mal vor«, sagte er. »So wahnsinnig hungrig bin ich ohnehin nicht.«
»Aber Frank hat schon gegessen …«, begann Eleanor verwirrt.
»Ein bisschen Platz ist noch in meinem Magen«, versicherte Frank. »Und wir hatten ja kein Dessert.«
Schon wieder traute Lou ihren Ohren nicht. Ihr Dad
wollte mit Jacks Mutter ein Lokal besuchen, in dem er laut eigener Aussage Sodbrennen bekommen hatte. Und er wollte sich sogar einen Weg durch die Reporterscharen in der Halle bahnen. Was ging hier vor? War das nur die Sympathie zwischen zwei Menschen, deren Kinder in Lebensgefahr geschwebt hatten? Oder – Gott bewahre – steckte mehr dahinter?
»Bis später, ihr beiden.« Frank drückte auf den Liftknopf und führte – oder eher drängte – Eleanor in die Kabine. »Jack, hören Sie auf Lou, sie weiß, wovon sie redet.«
Die Lifttüren schlossen sich und
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