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Perlentod

Perlentod

Titel: Perlentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliane Breinl
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der noch Schweine hielt. Gleich hinter seinem Wohnhaus schloss der Stall an und dahinter lag wiederum ein großes Freigehege. Hier, zwischen einigen Obstbäumen, auf spärlicher Wiese, liefen tagsüber mindestens acht dicke Schweine herum. Der Geruch war gewöhnungsbedürftig und führte Senta wieder einmal vor Augen, in was für einem Bauernkaff sie lebte.
    »Ach, die kleine Jülich. Willst du deiner Mutter ein paar frisch gebackene Rohrnudeln mitnehmen?«, hörte sie plötzlich jemanden rufen. Natürlich, die olle Schmidt, die Tratschtante Nummer eins im Dorf. Der entging nichts. Und trotzdem nannte sie Sentas Mutter immer noch bei ihrem Mädchennamen, obwohl die nun schon seit siebzehn Jahren Herzog hieß. Senta winkte ab. Das Zeug, das die Schmidt anbot, hatte meistens schon einen Zustand jenseits aller Genießbarkeit erreicht. Einmal hatte sie Senta eine Schokolade zugesteckt mit dem aufgedruckten Verfallsdatum 1977. Sentas Mutter hatte über das ungläubige Gesicht ihrer Tochter nur gelacht und die Schokoladentafel an ein Museum geschickt.
    Die Schmidt tat, als hätte sie Sentas Zurückweisung nicht bemerkt.
    »Musst dich nicht genieren. Ist von allem genug da«, murmelte sie und hielt Senta eine schmierige Tüte unter die Nase. Automatisch hielt sie die Luft an, zwang sich zu einem Lächeln und versuchte, die Tüte mit Pinzettengriff anzunehmen. Doch die Alte drückte ihr das klebrige Ding direkt in die Hand.
    »Danke«, murmelte Senta durch zusammengekniffene Lippen und machte, dass sie wegkam.
    Nur Schweine und verrückte alte Weiber gibt es hier, schimpfte sie vor sich hin und bereute zutiefst, diesen unnötigen Spaziergang angetreten zu haben. In München war sie gerne spazieren gegangen. Mit der richtigen Musik in den Ohren durch ihr altes Viertel oder an der Isar entlang. Und jetzt latsche ich hier durch ein gottverdammtes Kaff, erschrecke mich wie ein Baby und lasse mir angeschimmeltes Essen andrehen. Frustriert stellte sie fest, wie ihr wieder einmal die Tränen kamen.
    »Und eine Heulsuse ist auch aus mir geworden«, sagte sie laut.
    »Wer ist hier eine Heulsuse?« Senta zuckte zusammen und schaute sich um. Zu ihrer Rechten lag nur eine leere Pferdekoppel und die andere Seite des Weges war voller Gestrüpp.
    »Das geht niemanden etwas an«, rief sie in Richtung des Gestrüpps. Sie fühlte sich ertappt.
    »Dann posaun es hier nicht rum«, antwortete der Unsichtbare und Senta hörte, wie jemand mit leichten Schritten eine Treppe erklomm. Schon tauchte hinter dem Gebüsch ein dunkelblonder Wuschelkopf auf, der immer weiter in die Höhe wuchs. Senta schaute auf und blickte in zwei Augen, die so blau leuchteten wie die Erde, wenn man sie vom Weltraum aus betrachtet – Planetenaugen, fand sie.
    Ein schlaksiger Junge, mindestens einen Kopf größer als Senta, bahnte sich den Weg durch die Wildnis. Mit einem unverschämten Grinsen sagte er: »Unsere Katze heißt übrigens auch Suse, allerdings ohne Heul.«
    »Macht es Spaß, im Gestrüpp zu hocken und fremde Leute zu belauschen?«, erwiderte Senta gereizt. Sie hatte genug von verrückten Begegnungen.
    »Viel gab es leider nicht zu belauschen«, lachte der Blonde und strich sich mit der flachen Hand über den Schopf.
    »Was machst du hier?«, fragte Senta.
    »Geht das eine Heulsuse etwas an?«
    »Ach. Behalt’s lieber für dich. Will gar nicht wissen, was einer wie du im Gebüsch treibt«, meinte sie und wandte sich bereits zum Gehen.
    »Warte mal. Du wohnst doch hier, oder?«
    »Und du?«
    »Ich habe zuerst gefragt«, beharrte der Junge.
    »Sehe ich so aus, als ob ich hier wohne?«, konterte sie und musste grinsen.
    »Nein«, er schüttelte den Kopf. »Leute, die hier wohnen, sind mindesten so schön wie ich.«
    »Oh ja, jetzt da du es sagst«, Senta schlug sich demonstrativ an die Stirn und nutzte die Gelegenheit, um den Fremden zu mustern. Sie schätzte ihn auf ungefähr siebzehn. »Deine Ähnlichkeit zu den Dorfschönheiten Okkulta und Schmidt ist nicht zu übersehen!«
    Dann streckte sie dem unverschämten Typ die klebrige Tüte entgegen.
    »Hier. Einem schönen Menschen wie dir machen diese paar Kalorien sicher nichts aus. Nimm nur. Ist lecker.«
    Der schlaksige Kerl schien interessiert, er schnappte sich die Tüte und griff hinein. Was er ans Tageslicht beförderte, sah wirklich aus wie eine Rohrnudel. Ein goldbraun gebackenes und mit Eigelb glasiertes Ding.
    »Nicht«, schrie Senta auf, als der Junge seinen Mund öffnete, um genüsslich in das

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