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Perlentod

Perlentod

Titel: Perlentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliane Breinl
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Schlüssel von außen an die Tür. Senta hätte sich gerne noch ein bisschen in dem Bunker umgeschaut, aber Mo schien es mit einem Mal sehr eilig zu haben. Mit federnden Schritten sprang er die Treppe hinauf und zog aus dem Gestrüpp ein altes Klapprad.
    »Also tschö«, sagte er zu Senta.
    »Ja dann«, rief sie ihm hinterher und kam sich irgendwie blöd vor. Langsam ging sie nach Hause und fragte sich, warum sie sich, seit sie aus München weggezogen war, ständig fühlte, als sei etwas mit ihr nicht richtig. Früher hatte sie sich nie so gefühlt. Da war alles irgendwie einfacher gewesen. Da hätte sie sofort gewusst, was sie von einem Typen wie Mo zu halten hatte.
    Mo spukte ihr immer noch im Kopf herum, als Senta zu Hause ankam. Schon im Vorgarten empfing sie ihre Mutter. Sie stand auf der Leiter und schnitt an einem der knorrigen Obstbäume herum. »Gut, dass du kommst. Kannst du mir bitte schnell die andere Gartenschere aus dem Schuppen bringen?«
    »Und wo bitte schön finde ich die in diesem Loch?«, rief Senta, wenig begeistert, in den düsteren Verschlag zu krabbeln. Auch wenn ihr Vater endlich die Schuppentür repariert hatte, sah es hier drin immer noch wie auf einem antiken Trödelmarkt aus. Seit sie ins Haus gezogen waren, redeten ihre Eltern ständig davon, den alten Schuppen endlich einmal auszuräumen. Aber bisher war noch nichts geschehen.
    Ratlos stand Senta in dem dämmrigen kleinen Raum, der vollgestopft war mit allen möglichen alten Sachen, die bestimmt schon Generationen von Vormietern hier vergessen hatten.
    »Schau mal hinter der Schubkarre. In dem kleinen Regal!«, rief ihre Mutter vom Baum aus.
    Schubkarre? Senta schob mit spitzen Fingern einen alten Kartoffelsack beiseite und lugte ums Eck. Das Regal entdeckte sie, aber die Gartenschere lag nicht darauf. Vielleicht in der alten Kommode? Mit einem kräftigen Ruck zog Senta das oberste Schubfach auf. Es klemmte und ein paar Sekunden später hielt sie den Knauf samt Lade in der Hand. Ein braunes Ding fiel ihr vor die Füße. Senta bückte sich danach. Es war ein kleines Büchlein aus braunem Leder. Neugierig schlug Senta es auf und erkannte sofort, dass es kein Druckwerk war. Auf den Seiten prangte eine altmodische Handschrift. Vielleicht ein altes Kochbuch, dachte sie und klappte das Fundstück wieder zu.
    »Senta, hast du sie gefunden?«, ertönte die Stimme ihrer Mutter.
    »Nein, sie ist hier nirgends«, rief sie zurück und legte das Buch auf der Kommode ab.
    »Kann auch sein, dass sie hinter der Tür hängt!«
    »Warum sagst du das nicht gleich?«, Senta rollte mit den Augen, nahm die Schere vom Haken und brachte sie nach draußen. Doch bevor sie den Schuppen verließ, drehte sie sich noch einmal um und schnappte sich das Büchlein.
    Senta schwirrte der Kopf. An diesem Nachmittag war so viel passiert, das sie nicht einordnen konnte. Erst die unverhoffte Begegnung mit der Okkulta an diesem grausigen Ort, dann das Zusammentreffen mit dem blonden Moritz und jetzt dieses Buch. Senta hatte darin geblättert und festgestellt, dass es sich gar nicht um ein Kochbuch handelte, sondern um ein altes Tagebuch. Ein gewisser Richart Rhön hatte darin vor mehr als fünfzig Jahren geschrieben.
    11. Mai 1959 stand über dem ersten Tagebucheintrag. Weiter traute sich Senta nicht zu lesen. Sie hatte früher selbst schon mehrere Versuche gestartet, ein Tagebuch zu führen. Und auch wenn sie nie weit gekommen war, empfand sie es dennoch nicht als richtig, die privaten Gedanken von jemand anderem zu lesen. Senta überlegte kurz, setzte sich dann an ihren Computer und gab im örtlichen Telefonbuch den Namen Richart Rhön ein. Vielleicht konnte sie auf diese Weise die Adresse des Besitzers herausfinden und es ihm zurückgeben? Doch ihre Suche ergab keinen Treffer. Weder in Harting noch woanders in Deutschland fand sie jemand mit diesem Namen. Vielleicht ist er schon gestorben, dachte Senta und legte das Tagebuch in das geheime Fach ihres Schreibtischs. Eine flache Vertiefung unter der eigentlichen Schreibtischplatte, die sie früher immer mit Leni benutzt hatte, um Briefe zu verstecken. Jetzt schlummerte darin nur ein Foto von Riko.
    Das Tagebuch hatte Senta kurzzeitig auf andere Gedanken gebracht. Aber, als sie am Abend in ihr Bett schlüpfte und der Wecker halb elf anzeigte, konnte sie nur noch an die Mutprobe denken.

8
    Rebecca wohnte im vierten Stock eines großen Mietshauses. Senta war die Treppen zu schnell hinaufgerannt und atmete schwer, als sie vor

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