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Perlentod

Perlentod

Titel: Perlentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliane Breinl
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Miriam und trat einen Schritt auf sie zu. Instinktiv bewegte sich Senta vom offenen Schacht weg.
    »Weißt du, wo man die Leiche von Zuckerwatte gefunden hat?«
    »Jeder, der hier wohnt, kennt den Ort«, antwortete Senta und wandte sich zum Gehen.
    »Morgen Nacht findet dort der zweite Teil der Mutprobe statt. Du wirst zu dem Haus gehen und in der Scheune Feuer legen. Einer der Schlüssel an diesem Bund gehört zum Scheunentor«, fuhr Miriam im Plauderton fort. Senta erstarrte. Sie scheint nicht den geringsten Zweifel zu haben, dass ich bei dieser hirnverbrannten Mutprobe weiter mitmache.
    »Wie bitte?«, hakte sie fassungslos nach.
    »Du hast mich schon richtig verstanden!«, antwortete Miriam lächelnd.
    »Das ist nicht euer Ernst! Damit macht man sich strafbar. Da kann sonst was bei passieren!«
    Die Hofdamen lachten Senta hämisch ins Gesicht und erklärten ihr, dass sie schon ein bisschen Einsatz zeigen müsste. Wenn man bei ihnen mitmachen wolle, müsse man beweisen, wie viel es einem wert sei. Außerdem würde diese alte Scheune sowieso bald abgerissen werden. »Und, wer weiß«, ergänzte Miriam spitz, »vielleicht kommen durch den Brand ja noch mehr Dinge zutage.« Jetzt reichte es Senta endgültig.
    »Ihr seid ja völlig gestört«, schrie sie laut und rannte durch das Gestrüpp zu ihrem Fahrrad, sprang auf und trat fest in die Pedale. Nur weg von hier, flüsterte sie dabei immerzu und merkte erst gar nicht, wie ihr heiße Tränen die Wangen herabliefen. Auf was für fiese Spielchen hatte sie sich hier nur eingelassen? Erst als sie am Gartentor ihres Hauses angekommen war, stellte sie fest, dass ihre rechte Faust den Schlüsselbund immer noch fest umschlossen hielt.

6
    Wenn Senta am Montagnachmittag ihre Laune auf einer Skala von null bis zehn hätte bewerten sollen, sie hätte sich für eine Acht minus entschieden. Noch beschissener, dachte sie, kann man sich kaum fühlen. Außer die Eltern sterben einem weg oder ein Krieg bricht aus oder es gibt eine Atomkatastrophe. Und das Schlimmste war: Fast die ganze lange Schulwoche lag noch vor ihr. Am schrecklichsten würde der Mittwoch werden, mit neun Stunden Unterricht. Neun Stunden, in denen sie den steten Anfeindungen und Sticheleien der Hofdamen samt deren Oberhaupt ausgesetzt war. Davon mindestens eine Stunde, in der Herzer Vertretung hatte und sie schikanieren würde. In dieser Woche erwarteten Senta noch mehr als zehn große Pausen, in denen sie sich am liebsten in Luft aufgelöst hätte, um den dummen Glotzaugen ihrer Mitschüler zu entgehen, die ihre offensichtliche Einsamkeit mit gnadenloser Schadenfreude verfolgten. Zu allem Überfluss war heute noch nicht einmal Rebecca in der Schule gewesen. Der einzige Mensch, der sich eventuell ein wenig für sie interessiert hätte. Vermutlich war sie krank. Etwas, worum sie Senta angesichts ihrer eigenen Lage fast beneidete. Für einen Moment zog sie in Erwägung, sich für ein paar Minuten unter die eiskalte Dusche zu stellen, anschließend mit nassen Haaren den Keller aufzuräumen und drei ekelhafte Zigaretten zu rauchen. Danach wäre sie sicher so hinüber, dass sie mindestens eine Woche das Bett hüten müsste. Gerade, als sie probehalber einen Fuß unter das kalte Wasser hielt, läutete das Telefon. Senta stürmte ins Wohnzimmer und nahm ab.
    »Herzog«, meldete sie sich.
    »Mein Name ist Rebecca Lobach. Ich bin in Sentas Klasse. Könnte ich sie bitte sprechen?«, krächzte eine Stimme am anderen Ende der Leitung.
    »Ich bin’s doch«, entgegnete Senta erfreut. Am anderen Ende der Leitung ertönte ein Rabenlachen.
    »Klingt nach Halsweh«, meinte Senta und Rebecca bestätigte, dass sie eine Erkältung erwischt hätte. Sie würde noch mindestens die nächsten zwei Tage fehlen und bat Senta, für sie mitzuschreiben.
    »Klar«, sagte Senta und freute sich, dass Rebecca sich mit ihrer Bitte an sie wendete.
    »Soll ich sie dir morgen vorbeibringen?«, bot sie an.
    »Wenn das für dich nicht zu aufwendig ist?« Rebecca erklärte ihr etwas umständlich, wo sie hinkommen musste. Ihre Wohnung in Gansham lag von der Schule aus genau in entgegengesetzter Richtung von Harting. Aber Senta machte der kleine Schlenker nichts aus. Das Treffen würde ihr den morgigen Schultag etwas erträglicher machen.
    Aufgeheitert durch Rebeccas Anruf beschloss Senta, den restlichen Nachmittag nicht weiter trübsalblasend in ihrem Zimmer zu verbringen. Sie schnappte sich ihren MP3-Player und ging spazieren. Sie musste ihre Gedanken

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