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Perlentod

Perlentod

Titel: Perlentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliane Breinl
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Autoschlüssel verloren und unser Hausschlüssel ist im Auto«, versuchte ihre Mutter zu erklären und streichelte ihr das Haar aus dem tränenüberströmten Gesicht. »Deshalb sind wir nach Hause gelaufen und haben uns den Ersatzschlüssel aus dem Schuppen geholt. Wir wollten dich nicht wecken.«
    Doch Senta war kaum zu beruhigen. Sie weinte hemmungslos und noch bis in den Traum verfolgten sie die Erlebnisse des Tages.
    Als sie am nächsten Morgen aufstand, fühlte sich Senta wie gerädert. »Schlaf` dich aus«, entschied ihre Mutter, als sie die dicken Ringe unter ihren Augen sah. »Papa fährt nach München, ich muss noch einmal ins Kulturzentrum und heute Nachmittag machen wir zwei es uns gemütlich.« Dankbar verkroch sich Senta wieder im warmen Bett. Nichts hören, nichts sehen und nichts sagen zu müssen, war eine Wohltat. Nur dem Tagebuch widmete sie sich zwischendurch.
    2. Juni 1959
    Gestern habe ich fast den ganzen Tag geschlafen. Sogar von meiner toten Mutter habe ich geträumt, wie sie mich mit knochig dünnen Armen zu sich ins Grab zerren wollte. Ich habe ihr so lange auf den Arm geschlagen, bis er zerbrach und statt Knochensplittern plötzlich lauter Perlen zu Boden rollten.
    Heute soll ich noch einmal zum Arzt kommen. Ich fühle mich schwach wie nie zuvor. Aber vielleicht ist es mehr diese tiefe Verzweiflung in mir drin, die mich so elend macht. So von allen verlassen habe ich mich das letzte Mal gefühlt, als sie mich ins Waisenhaus gesteckt haben.
    Nachtrag:
    Ich habe eine Lungenentzündung. Deshalb bleibe ich jetzt auf der Krankenstation. Ich fühle mich gleich viel besser. Das Bett ist so weich! In solch einer menschlichen Umgebung ist die Verzweiflung nicht mehr so herzzerfressend. Die Schwester ist zwar ganz schön grob, aber das halte ich gerne aus. Sie hat es wahrscheinlich oft mit Schwerverbrechern zu tun.
    3. Juni 1959
    Frau Irmi durfte mich außer der Reihe besuchen. Sie ist in großer Sorge um mich, das sehe ich ihr an. Steht es wirklich so schlimm?
    Ich habe sie gebeten, W. aufzusuchen und ihm einen Brief zu übergeben. Sie wird den Brief sicher nicht lesen. Das Briefgeheimnis ist ihr heilig, auch wenn sie nicht viel von W. hält. Wenn er auf meinen Brief nicht reagiert, werde ich denen alles erzählen. Ich werde für W. nicht das Opferlamm spielen, während er sich mit der ganzen Beute ein feines Leben macht.
    5. Juni 1959
    Die Nacht war scheußlich. Schüttelfrost und grässlicher Husten. Heute haben sie meine Lunge geröntgt. Der Arzt war noch nicht wieder bei mir. Ich habe die Befürchtung, dass die Medizin nicht wirkt. Fühle mich immer schlechter. Selbst das Schreiben fällt schwer.
    Senta legte das Tagebuch aus der Hand. Die letzten Einträge ließen deutlich erkennen, dass Richart Rhön Schwierigkeiten gehabt hatte, den Stift zu halten. Seine ansonsten sehr saubere Schrift wurde zunehmend unförmig und die einzelnen Wörter blieben nicht in der Zeile, sondern kippten nach unten. Senta wusste, dass das Tagebuch am siebten Juni endete. Es gab also nur noch zwei Einträge und die wollte sie sich aufsparen.
    Aus unerfindlichen Gründen stimmte sie das baldige Ende des Tagebuchs traurig. Das Schicksal dieses Richarts zog sie irgendwie in seinen Bann. Ähnlich wie bei Mo gab ihr irgendetwas das untrügliche Gefühl, dass Richart nicht der Verbrecher war, für den man ihn hielt. Und dass man Mo jetzt auch noch das Verschwinden von Bettina in die Schuhe schob, verstärkte dieses Gefühl. Senta spürte, wie sich ihr Herz zusammenzog. So gerne hätte sie ihm jetzt beigestanden und ihm gesagt, dass sie an seine Unschuld glaubte! Aber…
    Das Telefon läutete.
    »Na, hast du dich ein bisschen ausgeschlafen?«, fragte ihre Mutter am anderen Ende der Leitung.
    »Ja«, log Senta. Nicht bereit, der Mutter von ihrer neuen Lieblingslektüre zu berichten. »Ich werde jetzt aufstehen. Wenn du willst, koche ich uns heute Spaghetti.«
    »Das klingt gut. Ich hab auch eine gute Nachricht für dich. Dein Moritz kann gerne im Kulturzentrum vorbeikommen und sich unseren Raum im Keller einmal anschauen. Wenn er will, darf er ihn als Probenraum nutzen.«
    »Das ist nicht mein Moritz«, entgegnete Senta und musste sich sehr bemühen, teilnahmslos zu klingen.
    »Ein sympathischer Junge ist er jedenfalls. Und ich habe den Eindruck, dass er dich auch sehr gerne mag«, fuhr ihre Mutter ungerührt fort und Senta war froh, als im Kulturzentrum irgendwo ein Telefon läutete und ihr Gespräch beendete. So viel

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