Perlentod
an eine Schlange.
Sofort legte Rebecca ihr einen Arm um die Schulter und versuchte, die vor Wut zitternde Senta zu beruhigen. »Lass dich nicht provozieren. Genieß lieber das Schauspiel.« Rebecca deutete Richtung Straße, wo bereits Miriams Freund neben seinem Roller wartete.
Als Miriam ihm die Schultasche entgegenstreckte, geschah das Unfassbare. Statt die Tasche anzunehmen, entleerte ihr Freund eine prall gefüllte Tüte Pommes mit Ketchup über Miriams wohlfrisierte Mähne. Das rote Ketchup lief ihr über die Stirn und einzelne Pommes blieben in den Locken hängen. Der spitze Schrei, der Miriam entfuhr, drang bis zu Senta und Rebecca.
»Das ist ja wie im Film«, staunte Senta und verfolgte gebannt das unverhoffte Schauspiel. Kaum war Miriams Freund, oder vielmehr Exfreund, auf seinem Roller davongebraust, tippelten Rita und Kim wie aufgeregte Vögelchen herbei und pickten mit spitzen Fingern die Pommes frites aus dem Haar ihrer Angebeteten, während die vor Wut schnaubend davoneilte.
Senta und Rebecca prusteten los vor Lachen und hinter ihnen stimmt Zehka laut johlend ein. »Bald wird die sich danach sehnen, dass ihr bloß eine harmlose Tüte Pommes die Fratze ramponiert«, brummte er.
»Was soll das denn heißen?« Senta ahnte nichts Gutes.
»Soll heißen, dass das Zuckerpüppchen ihr Spiel zu weit getrieben hat«, blaffte Zehka und wandte sich zum Gehen.
»Die bekommt schon ihre Abreibung«, wollte Senta ihn beschwichtigen, doch Zehka stapfte bereits davon, ohne sich noch einmal umzudrehen.
»Das klingt nicht gut«, meinte Rebecca mit sorgenvoller Miene und Senta stimmte ihr zu.
Sie stand vor dem Museum und wartete auf Rebeccas Vater. Das Tagebuch mit der Postkarte darin, hatte sie sich unter den Arm geklemmt. Plötzlich fiel Senta ein, dass sie das Foto von Richart gar nicht eingesteckt hatte. Es lag noch bei ihr zu Hause in der Schublade. Ist ja auch nicht so wichtig, beruhigte sie sich und hielt Ausschau nach Herrn Lobach. Eine Minute später kam er mit federndem Gang die große Freitreppe herunter. »Ich hoffe, du wartest noch nicht allzu lange? Ich wurde noch durch ein Telefonat aufgehalten. Wahrscheinlich können Rebecca und ich bald in eine große Erdgeschosswohnung ziehen. Das war der Vermieter«, erzählte er strahlend.
»Wie schön«, freute sich Senta und musste an Rebeccas Puppenstubenzimmer denken. Wo sie früher wohl gewohnt hatten, als Rebeccas Mutter noch lebte, fragte sie sich, während Herr Lobach neugierig das Tagebuch entgegennahm.
»Wenn sie mögen, kann ich ihnen das Buch für ein paar Tage ausleihen«, bot sie an.
»Gerne«, freute sich Herr Lobach und versprach, die Zeitungsartikel über den Fall Richart Rhön aufzutreiben. »Warum interessierst du dich eigentlich dafür?«, wollte er wissen.
»Irgendwie ist mir dieser Richart sympathisch geworden. Und außerdem hat er, wie’s aussieht, mal in dem Haus gelebt, in dem ich jetzt mit meinen Eltern wohne. Ich frage mich die ganze Zeit, wie er wohl in diese Geschichte hineingeraten ist«, antwortete Senta lachend, weil sie selbst keine plausiblere Antwort für ihr Interesse hatte. Aber dem geschichtsbegeisterten Herrn Lobach genügte diese Erklärung völlig. Begeisterung für längst vergangene Ereignisse gehörte bei ihm zum Beruf.
Bevor sie sich verabschiedeten, interessierte ihn jedoch noch etwas anderes: »Was glaubst du? Wird sich Rebecca darüber freuen, wenn ich ihr erzähle, dass wir bald in eine Wohnung mit Terrasse umziehen?«
»Ganz bestimmt freut sie das«, antwortete Senta lachend und verabschiedete sich schnell. Nicht dass Rebeccas Vater noch auf die Idee kam, sie über seine Tochter auszuquetschen.
Als sie sich zum Gehen wandte, streifte Sentas Blick einen schwarzen Geländewagen, der gerade aus einer Parklücke ausscherte. Gerade wollte sie die Straßenseite wechseln, als der Wagen beim Einfädeln fast mit einem roten Kleinwagen kollidiert wäre. Manche Leute scheinen ihren Führerschein echt im Lotto gewonnen zu haben, ärgerte sich Senta und schnappte sich ihr Fahrrad.
Am nächsten Tag blieb Lolles Stuhl im Klassenzimmer frei. Senta hatte kaum Zeit gehabt, das zu registrieren, als auch schon der Direktor in ihre Klasse kam: »Weiß jemand, was mit Charlotte Zwick ist? Sie ist nicht in die Schule gekommen und ihre Eltern wissen nicht, wo sie steckt.« In der Klasse blieb es ruhig. Offenbar wusste niemand etwas über Lolles Verbleib. Frau Oschau, die Französischlehrerin, wandte sich Kim, Rita und Miriam
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