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Perlentod

Perlentod

Titel: Perlentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliane Breinl
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kurzen Text darauf hatte sie über eine Stunde am Schreibtisch gesessen:
    Hallo Moritz,
    ich kann verstehen, wenn du nichts mehr mit mir zu tun haben willst, und ich werde dich auch nur noch dieses eine Mal belästigen. Wegen dem Angebot meiner Mutter: Im Kulturzentrum ist ein Probenraum, den du dir einmal anschauen könntest. Frage einfach nach Frau Herzog.
    Es tut mir alles sehr, sehr leid – ich wünschte, ich könnte es ungeschehen machen!
    Alles Gute, Senta
    PS: Ich bin davon überzeugt, dass deine Unschuld bald bewiesen wird!
    Nun wird Moritz spätestens übermorgen die Karte erreichen, dachte Senta traurig und trottete nach Hause. Der einzige Briefkasten im Dorf befand sich neben der Bäckerei, genau dort, wo auch ein Weg zu Okkultas Anwesen abzweigte. Kurzerhand entschied sich Senta, den Nachhauseweg etwas auszudehnen, und bog ab. Jetzt, nachdem sie durch die Tagebuchlektüre so viel über die Bewohner der zwei Anwesen erfahren hatte, wollte sie sich noch einmal ein Bild von deren Häusern machen. Es hieß ja, Koschel habe als junger Mann im Lotto gewonnen und sich dieses große protzige Anwesen gebaut. Aber ob das wirklich stimmte? Seitdem Senta wusste, dass Koschel irgendetwas mit den Geschehnissen zu tun haben musste, wegen denen Richart ins Gefängnis gekommen war, fragte sie sich, ob Koschel den Lottogewinn vielleicht nur erfunden hatte.
    Da es in der Nacht geregnet hatte, musste sie auf dem unbefestigten Waldweg einer Pfütze nach der anderen ausweichen. Während sie über die Wasserlachen sprang, kamen unwillkürlich Gedanken an ihre Kindheit in ihr auf. Da hatte es ein Spiel gegeben, das Leni und sie Pfützenspringen genannt hatten. Eigentlich war es mehr ein Wettbewerb als ein Spiel gewesen, denn es war darum gegangen, in möglichst unmöglichen Verrenkungen über die Pfützen zu springen. Senta nahm sich vor, am Wochenende endlich Leni anzurufen. In den letzten zwei Tagen hatte die Freundin schon mehrmals versucht, sie zu erreichen, aber Senta war nicht ans Telefon gegangen. Vielleicht tue ich Cora und ihr unrecht, ging es Senta durch den Kopf, der die Erinnerungen an die alten Zeiten plötzlich ganz präsent waren.
    Bevor sie das Haus der Okkulta erreicht hatte, kam Senta an Wilhelm Koschels Anwesen vorbei. Neugierig schaute sie sich die Villa, die von einer hohen Mauer umgeben war, an. Das schmiedeeiserne Tor war heute weit geöffnet und man konnte die Villa und das umschließende Grundstück, zu dem ein ganzes Wäldchen zu gehören schien, in seiner ganzen Größe sehen. Das Gebäude, das aussah wie eine zu groß geratene Jagdhütte, wirkte protzig und abweisend. Die unteren Fenster waren alle mit schnörkeligen Gittern versehen. Als ob der Besitzer in ständiger Furcht lebte, überfallen zu werden. Soviel Senta wusste, war Koschel nicht verheiratet, und sie fragte sich, wozu ein einziger Mann ein solch riesiges Haus benötigte.
    Da öffnete sich plötzlich die große Tür der Doppelgarage und ein dicker schwarzer Geländewagen mit Ochsenfänger und silbrig glänzenden Felgen fuhr in schnellem Tempo heraus – direkt auf Senta zu. Sie musste zur Seite hechten, damit der Wagen sie nicht mitriss. Hinter dem Steuer saß Koschel, der Senta so grimmig anschaute, dass sie sich fast ein bisschen vor diesem Mann zu fürchten begann.
    Das Tor schloss sich automatisch hinter dem Wagen und Schlamm, von den großen Rädern des verschwindenden Geländewagens aufgewirbelt, spritzte an Sentas Hosenbeine.
    »So ein Arsch«, schimpfte sie vor sich hin und setzte ihren Weg fort. Nur eine Wegbiegung weiter lag Okkultas verfallenes Anwesen. Das Grundstück war mindestens genauso groß wie das ihres Bruders, aber der Zustand ein völlig anderer. Kaum vorstellbar, dass hier noch jemand lebte. Senta sah sich angestrengt um. Es dauerte ein paar Momente, aber dann wurde ihr bewusst, dass sie tatsächlich Ausschau nach der Roten hielt. Sie hätte gerne gewusst, was aus dem Nervenbündel, das sie vor Wochen hierher verfrachtet hatte, geworden war. Dort, wo sie die Katze abgesetzt hatte, war der Maschendrahtzaun ganz hinuntergetreten und gab die Sicht auf das Haus frei. Vor dem Eingang standen eine Bank und ein schiefer Tisch, auf den jemand einen Einkaufskorb abgestellt hatte. Die Haustür und die Fensterläden waren geschlossen. Sosehr Senta auch das weitläufige Gebiet um das Haus absuchte, sie konnte kein Lebenszeichen entdecken.
    »Es wird ihr schon gut gehen«, sagte sie zu sich selbst und ging auf den Weg

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