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Perlentod

Perlentod

Titel: Perlentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliane Breinl
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Herz, auch erst einmal daheimzubleiben. »Du solltest deinem Vater alles erzählen. Auch die Dinge von früher.«
    »Ich glaub, das kann ich nicht bringen«, wiegelte Rebecca ab. »Zu der Zeit als wir auf Klassenfahrt waren, war mein Vater völlig durch den Wind. Wegen dem Tod meiner Mutter. Wenn ich ihm jetzt alles erzähle, dann fällt er aus allen Wolken und macht sich die schlimmsten Vorwürfe.« Rebecca klang zerknirscht. Offensichtlich hatte sie Angst, ihren Vater mit all dem Dreck zu belasten.
    »Aber meinst du nicht, er macht sich noch mehr Vorwürfe, wenn du ihm jetzt schon wieder nichts erzählst?«, versuchte es Senta erneut. Es bedurfte einiger Überzeugungsarbeit, doch schließlich gab Rebecca sich geschlagen und versprach, bei der nächsten Gelegenheit mit ihrem Vater zu reden. Schließlich ging es auch darum, Sentas Unschuld zu beweisen, was die absurden Mobbingvorwürfe betraf.
    »Vielleicht kann meine Geschichte ja wenigstens helfen, um dich zu entlasten. Dann hätte sie wenigstens ein Gutes gehabt.«
    Doch Senta hatte noch ein Anliegen.
    »Könnte ich morgen Nachmittag einmal bei euch vorbeikommen? Dann kann ich vielleicht auch das Tagebuch wieder mitnehmen, das ich deinem Vater gezeigt habe.«
    »Klar kannst du vorbeikommen«, freute sich Rebecca. »Aber vorher musst du mir endlich erzählen, was es mit diesem Tagebuch auf sich hat. Das klingt ja wirklich geheimnisvoll.«
    Aufgewühlt beendete Senta das Telefonat. Der Bericht über Richart Rhöns Tagebuch hatte sie nur für kurze Zeit von den Vorfällen in der Schule ablenken können. Dass Rebecca solchen Schmähungen ausgesetzt war, löste in ihr Schuldgefühle aus. Obwohl sie ganz genau wusste, dass nicht sie diese widerlichen Dinge verursacht hatte, sondern Miriam, fühlte sie sich schlecht. Sie musste etwas tun.
    Um sich abzulenken, machte Senta sich daran, ihren Bericht zu verfassen. Es fiel ihr nicht leicht, all die Gemeinheiten der letzten Wochen zu benennen, aber mit der Zeit packte sie der Ehrgeiz, den Bericht so präzise und ausführlich wie möglich zu schreiben. Miriam Keßler soll sich warm anziehen, dachte sie grimmig und spürte, wie sich allmählich wieder ihr vertrautes Senta-Gefühl einstellte. Als sie fertig war, hatte sie mehr als zwei Seiten zu Papier gebracht. Ihre Füße waren eiskalt und sie verspürte Lust auf ein ausgedehntes Vollbad. Auch, um sich endgültig von dem »Dreck« zu befreien, mit dem man sie beworfen hatte.
    Ausgerechnet, als Senta ins warme Wasser abtauchte, rief Leni an. Frau Herzog vertröstete die Freundin ihrer Tochter auf später.
    »Noch nicht einmal deiner besten Freundin hast du von deinen Problemen erzählt«, stellte sie ungläubig fest, als Senta im Bademantel ins Wohnzimmer kam.
    »Leni ist ganz verwundert, weil du sie seit Tagen nicht zurückrufst.«
    »Jetzt weiß sie auch mal, wie das ist«, brummte Senta.
    »Wie was ist?«
    »Wenn man den anderen vergisst, nur weil er nicht mehr um die Ecke wohnt.«
    Ihre Eltern teilten einen stummen Blick und ihre ohnehin schon sorgenvollen Mienen wurden noch besorgter.
    »Ist schon gut«, versuchte Senta schnell, auf ein anderes Thema zu lenken. »Ich rufe sie gleich zurück.« Und schon verschwand sie in ihr Zimmer und klemmte sich hinter das Telefon.
    Als sie nach über einer Stunde das Gespräch beendet hatte, fühlte sie sich plötzlich wie befreit. Als ob eine festgezurrte Schnur in ihrem Inneren endlich durchgeschnitten worden wäre.
    Sie hatte Leni alles erzählt. Und zu ihrer eigenen Überraschung war ihr das gar nicht schwergefallen. Als ob das vorausgegangene Gespräch mit den Eltern in ihrem Kopf eine Schleuse geöffnet hätte, durch die endlich die lang zurückgehaltenen Sätze strömen durften, wie beispielsweise »Mir ist es in letzter Zeit supermies gegangen« oder »Ich habe manchmal tierische Angst!«.
    Natürlich war Leni aus allen Wolken gefallen. So hatte sie ihre beste Freundin noch nie erlebt. Seit sie sich kannten, war Senta immer die Stärkere von ihnen beiden gewesen. Nicht nur körperlich. Noch nicht einmal beim Umzug hatte sie eine Träne verdrückt und dabei hatte Leni wie ein Schlosshund geheult.
    »Bestimmt erlauben mir meine Eltern, dass ich dich dieses Wochenende besuchen komme«, hatte Leni vorgeschlagen und beteuert, dass sie am liebsten sofort zum Münchner Hauptbahnhof aufbrechen und sich auf den Weg machen würde.
    Senta war so glücklich gewesen, dass sie sofort begonnen hatten, Pläne für das Wochenende zu schmieden.

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