Perlentod
Unter anderem musste Senta Leni versprechen, sie an all die Orte zu führen, von denen sie ihr berichtet hatte. Und außerdem wollte Leni unbedingt Rebecca kennenlernen.
21
Am Nachmittag des nächsten Tages radelte Senta zur Wohnung der Lobachs. Vormittags waren ihre Eltern beim Direktor gewesen und hatten ihren Bericht abgeliefert. Hoch und heilig hatte der Direktor den Herzogs versprochen, den Dingen auf den Grund zu gehen, bevor er jemanden verurteilte. Nur Mo hatte sich nicht gerührt. Aber das wunderte Senta nicht.
»Versuch du doch noch einmal, Moritz davon zu überzeugen, wie wichtig es wäre, wenn auch er dem Direktor seinen Leidensweg schildert.« Um sich weitere Diskussionen mit ihrer Mutter zu ersparen, stimmte Senta der Bitte zu, obwohl sie stark daran zweifelte, dass Mo überhaupt mit ihr sprechen würde. Die Gedanken an ihn stimmten sie traurig und sie war umso glücklicher, als sie die Wohnung ihrer Freundin erreicht hatte.
Rebecca fiel ihr schon an der Haustür um den Hals.
»In der Schule war es schrecklich«, stöhnte sie auf. »Zum Glück wirft Zehka ein Auge auf mich. So traut sich wenigsten keiner an mich heran. Aber diese Tuscheleien und Blicke…«
»Wir werden es gemeinsam durchstehen und allen unsere Unschuld beweisen«, versuchte Senta, ihnen beiden mit fester Stimme Mut zu machen. Gemeinsam mit Rebecca machte sie es sich auf deren Schlafmatratze, über die eine große bunte Überdecke geworfen war, gemütlich. Auch wenn Mo sie nicht bei ihrem Vorhaben unterstützte, waren sie optimistisch, dass sie Miriam bald das Handwerk legen würden.
»Hat er sich denn gar nicht mehr bei dir gemeldet?«, fragte Rebecca mitfühlend. Senta schüttelte traurig den Kopf.
»Mo will nichts mehr mit den alten Geschichten zu tun haben. Und mit mir erst recht nicht«, sagte sie leise.
»Ich kann aber auch irgendwie verstehen, dass er das alles nicht noch einmal aufkochen will. Man ist ja eher froh, wenn über unschöne Erinnerungen endlich Gras wächst«, sagte Rebecca und Senta fiel das Atmen schwer. Immer wenn sie an Mo dachte, und das kam leider sehr häufig vor, schloss sich eine enge Klammer um ihre Brust. Und wenn sie dann versuchte, sich wieder in ihre Traumvorstellung zu flüchten, in der sie mit Riko ein gemeinsames Leben führte, gelang ihr das nicht mehr. Noch nicht einmal Rikos Gesicht konnte sie sich in Erinnerung rufen. Immer wieder war da Moritz mit seinem munteren Lachen, den verwuschelten blonden Haaren und die Erinnerung an seinen warmen Atem auf ihrem Gesicht, als er sie auf dem Fahrrad nach Hause gebracht hatte.
»Was ist los?«, wollte Rebecca wissen, der die traurigen Blicke ihrer Freundin nicht entgangen waren.
»Hast du Lust, am Wochenende meine Freundin Leni aus München kennenzulernen?«, lenkte Senta das Gespräch auf schönere Dinge.
»Natürlich«, nickte Rebecca erfreut und sie verabredeten gleich, wann Rebecca am Wochenende vorbeikommen würde. Dabei fiel den Mädchen auf, dass Rebecca noch nie bei Senta in Harting gewesen war. Auch sie wollte gerne einmal das Haus sehen, in dem man den Leichnam von Zuckerwatte gefunden hatte. Senta versprach, mit ihr und Leni, einen Rundgang durch Harting zu machen. Vorbei an besagtem Ort, dem Spritzenhaus, dem Bunker und an den zwei Anwesen der zerstrittenen Geschwister Koschel.
»Und dann musst du mir auch noch zeigen, wo du das Tagebuch gefunden hast«, meinte Rebecca und griff nach dem Päckchen, das ihr Vater für Senta bereitgelegt hatte. Oben auf dem Tagebuch lag ein großer, vollgeschriebener Din-A4-Zettel »Ich hab mal reingelesen. Ist ja wirklich eine interessante Lektüre. Wenn man wüsste, wer dieser W. ist…« Senta hörte nur mit halbem Ohr zu, sie las gerade die Mitteilung, die ihr Rebeccas Vater in das Tagebuch gelegt hatte.
Sentas Wangen glühten vor Aufregung. Denn Herrn Lobach war nicht nur jemand aus Harting eingefallen, der die alte Irmi gekannt hatte und mit ziemlicher Sicherheit mehr von der alten Überfallgeschichte auf den Juwelier wusste. Er hatte auch noch etwas sehr Interessantes über Frau Polsterschmidt herausgefunden.
»Das ist ja krass«, platzte es aus Senta heraus. Rebecca sah sie verständnislos an.
»Was hat dir denn mein Vater so Besonderes mitzuteilen?«, fragte Rebecca amüsiert. Senta zögerte kurz, doch dann entschied sie, Rebecca in ihre Überlegungen einzuweihen.
»Dein Vater hat herausgefunden, dass die Polsterschmidt sich mit alten Kriminalfällen beschäftigt hat.«
»Unsere
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