Perlentöchter
sie niemand informieren.
»Transfer«, sagte jemand zu ihr durch einen Nebel. »Wir müssen Sie in ein größeres Krankenhaus verlegen. Nach Bristol, ins Frenchay.« Und dann nichts mehr.
Helen wusste nicht, wie lange sie schon dort war. Es kam ihr vor wie ein unendliches Ineinander aus Tagen und Wochen. Erst später gelang es ihr, die einzelnen Bruchstücke zusammenzufügen. Bob war tatsächlich mit Caroline zu Tante Phoebe gefahren, nur um festzustellen, dass diese gerade Bridge spielte! Sie und Onkel Victor hatten dazu Gäste eingeladen, und als Helens Ehemann und Tochter eintrafen, erschöpft und konfus, nachdem sie die ersten paar Tage in einer Pension übernachtet hatten, um in Helens Nähe zu sein, wurden sie sofort auf ihre Zimmer gebracht.
Helen konnte es sich deutlich vorstellen. Ihre Tochter war sicher in dasselbe Zimmer gesteckt worden, in das man sie mit vierzehn Jahren gesteckt hatte, als ihre Mutter gestorben war. Darin gab es eine schwere Kommode aus Mahagoniholz und einen altmodischen Mahagonispiegel auf einem Ständer. Bob hatte beim Frühstück bestimmt den Grapefruitlöffel für die Marmelade benutzt, und Caroline war ohne sie verloren, genau wie Helen ohne ihre Mutter damals vor fast achtzehn Jahren.
Maggy übertraf allerdings ihre kühnsten Erwartungen! Als ihre wunderbare Freundin die Nachricht erfuhr, war sie sofort von Wolverhampton losgedüst und hatte die Nacht in der Pension verbracht, wo sie sich mit Caroline ins Bett kuschelte, um sie zu trösten, während Bob im Zimmer nebenan war und Anrufe der Lokalzeitung abwimmelte, die über den schrecklichen Unfall berichten wollte, der einer Touristin zugestoßen war.
Aber was war mit ihrem Baby? Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, bis sich eines Morgens der Arzt auf ihre Bettkante setzte, ihre Hände in seine nahm und ihr erklärte, dass sie Blutungen gehabt habe. Helen fühlte ihr Herz groß und schwer werden, aber Moment, was sagte er nun? »Mrs Green, offenbar haben Sie Zwillinge erwartet. Durch das Trauma haben Sie einen Fötus verloren, aber es hat den Anschein, als wäre der andere lebensfähig. Angesichts dessen, was Sie durchgemacht haben, sind wir allerdings verhalten optimistisch. Trotzdem, wenn Sie mich fragen, Mrs Green, dann haben Sie großes Glück gehabt.«
Sie war immer noch schwanger! Ja, dachte Helen, während sie versuchte, sich im Bett aufzusetzen, um eine Karte an Caroline zu schreiben, der sie ein Andy-Pandy-Buch schicken wollte, das sie sich von einer Krankenschwester hatte besorgen lassen. Sie war immer noch schwanger. Caroline würde diesen Bruder oder diese Schwester bekommen, und wenn es Helen das Leben kostete. » Für Caroline, weil du ein braves Mädchen bist« , schrieb sie zitternd mit der Hand, die weniger schlimm verbrannt war als die andere. » Ganz liebe Grüße und Küsschen von Mummy .«
Es dauerte Monate, bis sie nach Hause durfte. Vom Frenchay Hospital wurde sie schließlich ins Mount Vernon verlegt. Es war nicht nur eine der besten Kliniken für plastische Chirurgie, sondern außerdem nicht so weit entfernt von Ealing. Trotzdem hielt Bob es für das Beste, Caroline nicht mitzubringen. »Sie könnte Angst bekommen«, sagte er und ließ den Blick durch den Saal schweifen, wo Patientinnen mit so schrecklichen Verletzungen lagen, dass man den Eindruck hatte, sie wären im Krieg gewesen.
Helen fragte sich, ob Bob damit seine eigene Angst meinte. Offensichtlich fühle er sich in dieser Umgebung nicht wohl, sagte Maggy bei ihrem Besuch, schließlich sei er keine Krankenschwester. Beide kicherten, als sie sich Bob in einer Schwesterntracht vorstellten, und eine Weile lang fühlte Helen sich besser, selbst dann noch, nachdem Maggy gegangen war. Aber schließlich kamen die alten Zweifel zurückgekrochen.
Sie wurden zum Teil noch geschürt durch ihren Bruder Frank, der ihr sofort schrieb, nachdem ihn die Neuigkeit erreicht hatte. Helen hatte zuvor schon ihren Brüdern gegenüber Andeutungen gemacht, was ihre Ehe betraf, aber sowohl Roger als auch Geoffrey waren zu sehr beschäftigt mit ihrem eigenen Leben, um mehr dazu zu sagen als: »Jeder macht einmal eine schwierige Phase durch.«
Helens kleiner Bruder Frank dagegen, der inzwischen in Kuala Lumpur sein eigenes Unternehmen gegründet hatte, reagierte pragmatischer. »Warte noch ein paar Jahre, bis Caroline etwas älter ist, ganz zu schweigen von deinem Nachwuchs, den du bald erwartest. Sollte es dann immer noch nicht funktionieren, verlasse ihn und komm
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